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Der Naechste bitte!

Der Naechste bitte!

Titel: Der Naechste bitte!
Autoren: Alyson Noël
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Manuskripts für den Glücks-Verlag fertig war, steckte ich es in einen Umschlag, auf den ich seitlich in Großbuchstaben »ANGEFORDERTES MATERIAL« schrieb, damit der Empfänger wusste, dass es sich nicht um ein unverlangt eingesandtes Manuskript handelte. Seit ich es losgeschickt hatte und alles seinen Gang ging, konzentrierte ich mich darauf, wie wunderbar es sein würde, endlich eine Veröffentlichung vorweisen zu können. Irgendwie schaffte ich es, die Stimme in meinem Kopf zu ignorieren, die mich eine Verräterin schimpfte und mich beschuldigte, ein Buch geschrieben zu haben, das ich niemals würde lesen wollen.
    Ich telefonierte fast jeden Tag mit Clay und konnte es kaum erwarten, bis er und Peter sich eingelebt hatten, damit ich sie besuchen konnte. Ich spielte sogar mit dem Gedanken, mein »Bewusstseins«-Seminar in Atlanta gegen eines in L. A. zu tauschen, damit ich sein Gesicht sah, wenn ich über die Vorgesetzten herzog, sie nachäffte und klar zum Ausdruck brachte, wie furchtbar das Ganze war.
    Obwohl ich die meiste Zeit über flog oder an meinem zweiten Werk arbeitete, gab es immer wieder Leerlaufphasen, in denen ich mich unendlich einsam fühlte.
     
    Ich war gerade von einem Brüssel-Flug zurückgekommen und sah kurz in der Flugbegleiter-Lounge vorbei, um meine E-Mails abzurufen, bevor ich mit dem Bus in die Stadt fahren wollte. Auf einmal stand Jennifer neben mir, die ich seit Puerto Rico nicht mehr gesehen hatte. »Die Zahlen sind da.«
    Ich bemerkte sofort, dass ihre Augen gerötet und wässrig waren.
    »Sie haben kurz unter dir den Schnitt gemacht. Du hast es geschafft.«
    »Und du?«, fragte ich, obwohl ich die Antwort an fünf Fingern abzählen konnte.
    »Ich bin nicht so lange dabei wie du. Sieht aus, als wäre ich raus«, sagte sie schniefend und wandte sich ab.
    »Das tut mir leid.« Ich fühlte mit ihr und hatte irgendwie ein schlechtes Gewissen, dass es mich nicht getroffen hatte. »Was hast du jetzt vor?«
    »Wahrscheinlich gehe ich zurück nach Hause.« Sie zuckte die Achseln.
    »Nach Alabama?«, platzte es aus mir heraus, so verdutzt war ich. Gut möglich, dass Alabama mal ihr Zuhause gewesen war, aber sie war durch und durch ein East-Village-Girl. Seitdem sie für Atlas arbeitete, hatte sie ihren Südstaatenakzent abgelegt. Ich konnte mir schlichtweg nicht vorstellen, dass sie irgendwo anders lebte.
    »Meine beiden Mitbewohnerinnen sind auch gekündigt worden und ziehen weg. Ich weiß nicht, wo ich hin soll.«
    Sie versuchte zu lächeln, was ihr jedoch nicht gelang.
    »Du kannst erst einmal bei mir wohnen«, bot ich ihr an.
    »Ich habe genug Platz.«
    »Das ist nett, aber ich habe meine Eltern schon angerufen. Außerdem möchte ich eines Tages ein Haus kaufen, eines mit einem echten Garten statt einer Feuerleiter, was mir hier nicht gelingen dürfte.« Sie zuckte mit den Schultern. Ich nickte, weil sie recht hatte.
    »Na dann. Viel Glück«, sagte sie und schloss mich in die Arme. »Ruf mich an, wenn du mal einen Zwischenstopp in Mobile hast.«
    Ich sah zu, wie sie ihre Taschen nahm und ging. Dann setzte ich mich an einen freien Computer, rief meine E-Mails ab, öffnete die mit dem Betreff »Atlas-Transformationsmitteilung« und überflog das Dokument, um festzustellen, dass ich tatsächlich an drittletzter Stelle stand. Mit anderen Worten: Es gab von nun an nur noch zwei Kollegen im Atlas-System, die kürzer dabei waren als ich. Verunsichert, was ich davon halten sollte, starrte ich auf den Bildschirm. Es war mir zwar gelungen, meinen Job zu behalten, aber meine Arbeit, wie ich sie kannte, gab es nicht mehr.
    In meinem neuen Leben als Drittletzte würden die liebenswürdigen Kollegen in der Dispo für mich entscheiden, wann ich wohin flog. Wenn ich Bereitschaftsdienst hatte, der manchmal bis zu einer Woche andauert, würde ich rund um die Uhr mein Handy dabeihaben müssen. Ich durfte keinen Alkohol mehr trinken oder mich zu weit von zu Hause entfernen und musste meinen gepackten Trolley sowie meine gereinigte Uniform immer griffbereit haben, für den Fall, dass ich kurzfristig irgendwo hinfliegen musste. Beim Briefing würde ich die Letzte sein, die sich für die Aufgaben an Bord eintragen durfte, was bedeutete, dass mir alle ungeliebten Aufgaben zufielen. Außerdem würden mich die Crews behandeln, als wäre ich neu und kein Vollprofi, der auf sechs Jahre Atlas-Zugehörigkeit zurückblicken konnte. Wie von selbst würden mir meine freien Tage gestrichen. Und was Weihnachten, Silvester
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