Der Name Der Dunkelheit
ich das immer gefunden, wenn der Täter ein Mann war.«
67
Die Wunde saß am Hals. Sofi konnte nichts anderes tun, als ihre Hände unter Kullgrens Kopf zu legen. Darunter hatte sich der Schnee rot gefärbt. Wegen der Kälte und ihrer Aufregung konnte sie seinen Puls nicht spüren, aber der Rettungswagen musste jeden Augenblick eintreffen. Aus den Augenwinkeln bekam sie mit, wie Kjell Theresa hochhievte und auf die Rückbank des Wagens setzte.
Henning kam mit den beiden Vermummten auf die Stra- ße gestürzt.
»Dort?«, fragte Kjell.
Theresa nickte. Offensichtlich war sie unverletzt.
»Los!«, sagte Kjell zu den Männern vom Einsatzkommando. Zu dritt rannten sie los.
Henning kniete sich neben Sofi. »Sieh mal, wie hoch das Fenster ist. Wie kann man von dort oben runterspringen?«
Sofi starrte Henning irritiert an, bis ihr einfiel, dass er ja an der Wohnungstür gewartet hatte. »Er ist nicht gesprungen. Er sitzt tot an seinem Schreibtisch.«
»Was?«
In diesem Moment kam der Rettungswagen um die Ecke und leuchtete alles mit blauem und rotem Licht aus. Sofi wurde zur Seite gezerrt. Vier oder fünf Mann hoben Kullgrens Körper auf die Bahre. Es dauerte nur einige Sekunden. Der Rettungswagen wendete und fuhr davon.
Sofi kniete noch im Schnee. Ihr fielen die Fenster in der Straße auf. Obwohl über die Hälfte davon zu Bruch gegangen waren, hatte kein Anwohner das Licht eingeschaltet. Nur einige Lichtertreppchen brannten auf den Simsen, aber das hatten sie zuvor schon getan.
Henning half ihr beim Aufstehen. Er hatte ebenfalls jede Orientierung verloren. Theresa saß noch immer starr auf dem Rücksitz. Ihre Beine baumelten im Freien.
Einer von ihnen musste sich so schnell wie möglich um die Nachbarn kümmern und nachsehen, ob jemand verletzt worden war. Darauf wollte sie Henning gerade hinweisen, als die Tür im Haus auf der anderen Straßenseite aufging und ein Mann den Kopf ins Freie steckte. Henning ging sofort auf ihn zu und schickte ihn zurück.
Sie traten zu Theresa und erkundigten sich, was überhaupt geschehen war.
Kullgren hatte am Steuer gesessen. Sie kamen vom anderen Ende der Bastugatan und konnten wegen des vereisten Gefälles nur langsam fahren. »Die Frau mit dem Kinderwagen kam an uns vorbei. Sie ging ganz nah am Haus, und Nils ist vorsichtig an ihr vorbei. Plötzlich riss er an der Handbremse.«
Der Wagen stellte sich sofort quer, etwa in dieselbe Position,
in der er jetzt noch stand. Kullgren sprang aus dem Wagen und zog seine Waffe.
»Die Frau?«, fragte Henning.
»Ja.«
»Die hat geschossen?«
»Nein. Nils hat geschossen. Er hat dreimal in ihre Richtung geschossen, bevor sie geschossen hat. Sie war bereits dort vorne, wo es dunkel ist.«
Sofi und Henning sahen sich an. Es konnte nie und nimmer so gewesen sein.
Henning beugte sich zu Theresa herab. »Woher wusstet ihr denn, dass die Frau etwas mit der Sache zu tun hat?«
»Wir wussten gar nichts. Ich weiß nicht, warum Kullgren das gemacht hat.«
Henning zog Sofi beiseite. »Kannst du dir eine Situation vorstellen, in der ein Polizist aus dem Auto springt und auf einen Menschen schießt?«
»Er muss die Frau erkannt haben.«
»Dennoch würde ein Polizist niemals schießen.« Henning kratzte sich am Kopf. Theresa musste sich irren. Kullgren hatte nicht als Erster geschossen. Das war unmöglich.
Sofi konnte ihre Eindrücke nicht ordnen. Das lag an der Frau. Was hatte die mit der Sache zu tun? »Du vergisst etwas«, sagte sie dann.
»Was denn?«
»Sie hat zurückgeschossen. Und im Gegensatz zu ihm hat sie getroffen. Das sagt uns etwas.«
»Und was?«
»Dass er sich nicht geirrt hat. Er hat richtig gehandelt.«
Auch Theresa hatte nicht lange überlegt. Nachdem der Wagen durch sein Gewicht einen Meter weit die Steigung hinabgerutscht und gegen die Hauswand geprallt war, sprang auch sie hinaus und schoss, ohne nachzudenken. Sie hatte sogar das
Magazin gewechselt und bis zur letzten Kugel weitergeschossen.
Henning betrachtete den Wagen aus einigen Schritten Abstand. »Wieso ist Theresa nichts passiert?«
Sofi deutete auf den BMW. Er war als Dienstwagen des Säpo-Chefs so stark gepanzert, dass er wegen seines Gewichts trotz der angezogenen Handbremse weiter auf der schrägen Fahrbahn hinabgerutscht war bis zur Hauswand. »Im Wagen konnte ihr nichts passieren, und später stand sie dahinter in Deckung.«
»Wo ist der Kinderwagen?«, fragte Henning. »Sie hatte einen Kinderwagen.« Er stieg die Straße hinauf, tauchte ins
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