Der Name Der Dunkelheit
die Kamera aus der Hülle. »Die Verankerung selbst ist intakt. Es ist ein Entkoppelungssystem, das vom Boot aus kurz vor der Ankunft ausgelöst wurde. Die konnten natürlich nicht ahnen, dass genau darüber ein Kajak schwimmt.«
Kjell sah verärgert zu Snæfríður. Sie hatte den Tauchern die ganze jämmerliche Geschichte erzählt.
»Ich habe gleich einen Termin beim Wetteramt«, sagte sie. »Die haben ein kleines Forschungslabor in der Winterbucht. Da liegt auch das Boot.«
Die Taucher begannen, ihre Utensilien zusammenzupacken, und wiesen darauf hin, dass die Eisdecke sich wohl in
der Nacht schließen würde und dann keine weiteren Tauchgänge mehr möglich waren.
»Hast du Ärger zu Hause?«, fragte Kjell seine Kollegin. Es war immerhin seine Schuld, dass sie am zweiten Weihnachtstag hier stehen musste.
»Hulda ist erst heute Morgen nach Hause gekommen.«
»Was macht sie denn die ganze Nacht draußen? Bei der Kälte?«
»Sie recherchiert, hat sie zu Fredrik gesagt.«
»Mach dir lieber nicht zu viele Sorgen. Die gute Hulda Jómundardóttir kann ganz gut auf sich aufpassen, glaube ich.«
Snæfríður sah Kjell erstaunt an. Woher er das denn wissen wolle, dachte sie bestimmt. »Sie heißt nicht Jómundardóttir. Jómundur ist mein Vater.«
»Ihrer nicht?«
Snæfríður lachte. »Nein. Wir haben nur dieselbe Mutter.«
»Und wie heißt sie dann?«
»Júpítersdóttir.«
»Wie der Göttervater?«
»Ja, wie der. Hulda Júpítersdóttir.«
17
»Vielleicht hilft es euch, dass auch ich meinen Weihnachtsurlaub abbrechen musste«, begann Inspektorin Barbro Setterlind und ließ ihren Blick an den Angestellten des Telia-Ladens am Ringvägen entlangwandern.
Offenkundig war das nicht der Fall.
Die siebenköpfige Belegschaft hatte sich, wahrscheinlich unbewusst, in einer Reihe aufgestellt und nach ihrer Körpergröße sortiert. Nur einer von ihnen war ein Mann. Er stand
nicht in der Reihe, sondern kauerte müde auf einem Hocker an dem Stehtisch, wo man Anträge ausfüllen konnte.
»Barbro ist von der Polizei«, verkündete Sandra Göransson mit der Betretenheit, die ihr als Leiterin des Ladens zustand.
Es beeindruckte Barbro, wie eine so junge Frau am zweiten Weihnachtstag die gesamte Belegschaft hatte herzitieren können, ohne den Anlass zu verraten.
»Ich muss euch leider mitteilen, dass eure Kollegin Elin Gustafsson am Weihnachtsabend gestorben ist.«
Sogar der junge Mann, der noch in den Kleidern vom Vorabend steckte und augenfällig an starken Kopfschmerzen litt, richtete sich am Tisch auf. Die Frauen waren alle jünger als dreißig, also etwa so alt wie Elin. Deshalb löste die Nachricht stummes Entsetzen aus. Am Ende der Ratlosigkeit stellte eine der sechs die Frage.
»Sie wurde am Strandbad auf Långholmen gefunden«, antwortete Barbro.
»Ist es etwa das, was im Radio war?«, fragte eine andere.
Barbro nickte. Die anderen hatten die Nachricht nicht gehört und drehten sich zu ihrer Kollegin. Unruhe kam auf. Die Begriffe Selbstmord und Überfall fielen.
»Sie war krank«, murmelte der Mann.
Barbro hob die Hand und brachte die Leute zum Schweigen. Nach einer Weile fuhr sie fort. »Elin saß in einem Liegestuhl, als der Schnee zu fallen begann. Es fand weder ein Überfall noch Missbrauch statt. Aber es gibt eine Reihe offener Fragen. Ich möchte von euch wissen, ob einer von euch mit Elin befreundet war oder von Bekannten oder Freunden weiß.«
Eine längere Stille trat ein, bis eine der Frauen glaubte, die Stille erklären zu müssen.
»Elin war ja keine Verkäuferin. Sie hat hinten im Büro gearbeitet oder unten im Lager.«
Das wusste Barbro bereits von Sandra Göransson. Elin hatte das Lager verwaltet und technische Aufträge bearbeitet.
»Sie war also kaum hier im Laden?«
Einige nickten. Das war der Grund, warum niemand etwas über Elin zu sagen hatte.
Barbro vollführte eine Dreivierteldrehung zu Sandra, die einen Schritt hinter ihr stand. »Sandra, könntest du bitte für einen Augenblick hinausgehen?«
Sandra nickte und verließ den Laden, stellte sich drau ßen mit dem Rücken zum Schaufenster und begann zu rauchen.
Die sieben Verkäufer kannten die Verkaufsargumente für jedes Produkt und waren mit den Bedienmenüs vertraut. Doch sobald ein Kunde den Laden mit technischen Fragen betrat, war man nach hinten geeilt und hatte Elin geholt. Ihr tieferes Wissen und ihre Arbeit in einem anderen Raum hatten anscheinend auch das soziale Gefüge geprägt. Elin gesellte sich nie zu den
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