Der Name Der Dunkelheit
komisch. Gestern schon.«
»Okay«, unterbrach der Direktor. »Das ist eine Frau.«
»Vergiss es. Probieren wir zuerst die Namen auf der Liste. Der erste ist Ardelius, Jon Ardelius.«
21
Der Schnee knirschte unter den Reifen, als Snæfríður den Wagen auf das Ende der Winterbucht zurollen ließ. Sie hatte längst das Ende der Siedlung passiert. Obwohl sie immer mehr
daran zweifelte, ob sie hier richtig war, kamen heimische Gefühle in ihr auf. Die Gegend ähnelte den Vororten im Süden Reykjavíks. Wenn man all die Bäume hier und all die hässlichen Betonvillen dort abzog. Das vom Wind aufgeraute Wasser und die Serie von Landzungen verknüpften die beiden Orte in Snæfríðurs Empfinden.
Als sie schon wenden wollte, lugte zwischen den letzten Fichten ein Wellblechhaus hervor. Wellblech war das Stichwort. Zudem lag auch das im Telefonat erwähnte Boot am Ufer. Sie gab ein wenig mehr Gas, umrundete das Gebäude und zog an der Handbremse, so dass der Wagen sich um die eigene Achse drehte.
In der Tür des Flachbaus lehnte ein Mann. Den Ausbruch an Leidenschaft hatte er mit einem Lächeln im Gesicht beobachtet. Seine Haare standen zu Berge, als hätte er gerade geschlafen, und über seinem Kopf ragten hohe Antennen vom Hausdach. Ein Mann, ein Haus, dachte Snæfríður und trat auf den Eingang zu.
»Bist du Snæfríður von der Polizei?«, fragte er, kurz bevor sie bei ihm ankam.
Sie nickte.
Acht Vorhängeschlösser baumelten an der Tür, deshalb ließ sie sich nicht mit einem Ruck schließen.
»Wir hatten vor einigen Monaten einen Einbruch«, erklärte er. Er hieß Måns und war allem Anschein nach der Leiter des Labors. Den Nachnamen hatte er bei ihrem Anruf nicht genannt. »Danach mussten wir so gut wie von vorne beginnen.«
»Ob Vorhängeschlösser da helfen?«
»Wir haben auch eine Alarmanlage, und fünfmal am Tag kommt jemand von Securitas.«
Am Ende des kurzen Ganges tat sich links eine Teeküche auf, die augenfällig nur von Männern benutzt wurde. Der
Raum rechts nahm beinahe die gesamte Fläche des Baus ein, der so provisorisch wie die Architektenstube einer Großbaustelle war. Die Einrichtung glich der eines Büros, allerdings mit Lötgelegenheit und einem Metallgestell in der Mitte. Darin hing etwas, und wäre es nicht rund gewesen, hätte Snæfríður auf eine Kirchenglocke getippt.
»Das ist sie«, sagte Måns. »Odins Auge 213.«
Snæfríður legte ihren Mantel auf eine Stuhllehne, ohne den Blick von Odins Auge zu lösen. Dann schritt sie respektvoll darauf zu. Die Kugel hatte dieselbe Größe wie der Sitzball in Barbros Büro. Sie ging in die Knie. »Was wiegt die?«
»Nur achtzig Kilo. Innen ist sie hohl.« Måns fuhr mit dem Zeigefinger am nördlichen Wendekreis der Kugel entlang. »Das ist der Schraubverschluss. Das untere Drittel nimmt der Ballasttank ein. Hier unten sitzt das Ventil. Damit kann sie Wasser ein- und auspumpen und für den idealen Auftrieb sorgen.«
Das dauerte einige Zeit, wie Måns erklärte. »Kurz vor der Ankunft mit dem Boot habe ich über die Fernbedienung die Verankerung gelöst. Eigentlich hätte hier oben eine Lampe leuchten müssen. Das hat sie jedoch nicht getan.«
»Was fehlt ihr denn nun?«
»Man kann ihr so gut wie nichts anhaben. Der Mantel ist ja recht dick. Aber hier oben treten die Sensoren aus.« Dort war ein pilzförmiger Aufbau, der einem Soldatenhelm glich. »Irgendetwas Kleines und Spitzes muss da in den Spalt gekommen sein. Die ganze Sensorik wurde abgerissen.« Måns streichelte die Kugel. »An so einen Fall haben wir bei der Konstruktion nicht gedacht. Wenn ein Schiff dagegenfährt, weicht sie wie ein Punchingball aus. Sie hängt ja an einem Stahlseil.«
»Sie schwebt also im Wasser.«
Måns nickte. Er roch besser, als seine Rasur aussah. Snæfríður behagte das gemeinsame Knien vor der Boje.
»Könnte es ein Rollstuhl sein? Daran stehen doch Griffe und anderes heraus.«
»Ein Rollstuhl ist wohl zu leicht, um einen solchen Schaden anzurichten.«
»Es muss sich um einen Elektrorollstuhl handeln. Die sind ziemlich schwer.«
Måns stemmte sich in den Stand. »Ich frage mich, wie lange er schwimmt.«
Snæfríður blieb noch einige Sekunden lang am Boden.
»Immerhin sind es zwanzig Meter«, gab er zu bedenken. »Und wenn er sinkt, kommt es auf seine Form an, ob er von der Strömung mitgezogen wird. Eure Taucher haben ihn ja nicht im Umkreis gefunden.«
»Die Taucher halten auch für möglich, dass er gar nicht schwamm. Bei seinem
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