Der Name Der Dunkelheit
gehörten.
»Von diesem Tatort gibt es keine Bilder. Aber anscheinend hat sie normal ausgesehen.« Sofi öffnete ihre Mappe und blätterte darin, bis sie die Vermisstenanzeige fand. »Hier steht, sie sei beim Skifahren verschwunden.«
»Dann kann das nicht die Originalkleidung sein«, fand Barbro. »Vielleicht hat sie sich im Hotelzimmer umgezogen.«
»Eben nicht. Die Ortspolizei in Jämtland hat mit den Eltern das ganze Gepäck durchgesehen, um auszuschließen, dass sie abgehauen ist.«
»Ich bringe die Kleidung sofort zur Tatorttechnik«, sagte Barbro. »Weißt du, was es bedeutet, wenn das hier ihre eigene Kleidung ist?«
Sofi nickte akribisch. »Der Täter war in der Wohnung.«
Barbro legte die Stirn in Falten. »Es bedeutet, dass Filipa Lindenbaum nach Stockholm zurückkam, ohne ihren Eltern etwas davon zu verraten.«
»Aha.«
»Darf ich mich einmischen?«, sagte McKenzie. »Wenn sie tatsächlich aus eigenem Antrieb hierhergefahren ist, sich zu Hause umgezogen hat, könnten sich die Schneesachen noch in der Wohnung befinden. Dann wurde Filipa Lindenbaum wie die anderen Frauen hier in Stockholm entführt.«
Sofi betrachtete den Mann eine Weile. »Dann liegt das Rätsel in der Frage, warum sie herkam.«
McKenzie lächelte, was ein wenig satanisch wirkte. »Die Frauen wurden also nicht aus dem Nichts überrascht. Sie kannten die Bedrohung. Das ist eine sehr wichtige Erkenntnis. Sie ändert alles.«
55
Als Sofi ins Büro zurückkehrte, hatte Kjell die Beine auf seinen Schreibtisch gelegt und den Kopf in den Nacken. Er starrte an die Decke und rührte sich nicht, während sie auf ihrem Stuhl Platz nahm. Krisen stand er gerne bequem durch.
»Hast du Snæfríður etwa allein nach Åre fliegen lassen?«
Kjell hob den Daumen und betrachtete weiter die Decke.
»Die unangenehmen Sachen landen ständig bei ihr.«
»Die Psychologin kam doch mit. Und ich wollte nicht eine Stunde lang neben ihr im Hubschrauber sitzen.«
Snæfríður hatte sich sogar schon gemeldet: Ein typisches Stockholmer Einheitspaar seien Filipas Eltern. Mehr hatte sie noch nicht herausgefunden. Zuerst musste die Psychologin ihre Arbeit machen.
»Wie steht es nun um unsere Arbeitstheorie?«, fragte er nach einer Weile.
»Was die angeht, so glaube ich, dass für uns die Zeit des Gürtelengerschnallens gekommen ist.«
»Das stammt bestimmt von Henning.«
»So hat er es formuliert.« Sofi ging mit einem Leinentuch zur Tafel und wischte alles ab. »Alle drei Fundorte liegen in Södermalm. Verbindet man sie, ergibt das eine ziemlich gerade Linie.«
Kjell löste sich endlich aus seiner Starre und verfolgte Sofis Zeigefinger auf dem Stadtplan. Er fuhr von West nach Ost.
»Im Westen Elin, im Osten Judit, und Filipa Lindenbaum genau in der Mitte. Bei drei Punkten ist eine Linie bemerkenswert.«
»Ich habe mal einen Krimi gelesen, da war es ein Pentagramm, das auf dem Kopf stand. Ganz schön diabolisch, was?«
Sofi seufzte.
»War aber auch kein besonders guter Krimi«, murmelte Kjell.
»Es bedeutet nicht mehr, als dass sich unser Mann mitten in Söder befindet, denn inzwischen wollen ihn über dreihundert Menschen schon einmal in dieser Gegend gesehen haben. Viele in Lokalen.«
»Er treibt sich viel herum. Oder würden uns beide so viele Leute von der Straße wiedererkennen?«
»Beim Herumtreiben stößt er auf seine Opfer. Bestimmt lernt er von einem größeren Kreis bloß diejenigen näher kennen, deren Leben sich in einer Krise befindet. Denn sonst kennt ihn ja niemand persönlich.«
»Und die bringt er dann um?«
»Ja.«
»Warum?«
»Der Psychiater weiß es nicht. Er meldet sich, sobald er die Akte durch hat.«
Kjell stand auf und stellte sich ans Fenster. »Ich habe eine Theorie. Wenn er die Frauen kennenlernt, stecken sie mitten in einer Krise. Er ist ein guter Ratgeber und Tröster.«
»Ein väterlicher Typ. Zwischen vierzig und fünfzig.«
»Die Frauen treiben im Nebel. Er ist der Leuchtturm. Die Frauen sehen nur ihn. Sobald sich der Nebel lichtet, werden die anderen Dinge des Lebens wieder sichtbar. Sein Einfluss auf die Frauen schwindet.«
»Und dann bringt er sie um?«
Kjell nickte. »Das ist seine Tragik. Seine Beziehungen zu Frauen sind absolut, verzehrend, und deshalb von kurzer Dauer. Wahrscheinlich geht ihm das schon länger so, aber mit dem Töten hat er erst vor kurzem begonnen.«
»Er ist seelisch uneigenständig? Tatsächlich ist er labil und nicht die Frauen?«
»Mit dem Töten verändert sich seine
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