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Der Name Der Dunkelheit

Titel: Der Name Der Dunkelheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniel Scholten
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Schlafmittel hat noch gewirkt. Sie waren ohne Bewusstsein.«
    Zum ersten Mal entdeckte Sofi an Suunaat etwas, was bei normalen Menschen sportlicher Ehrgeiz hieß. Bisher hatte sie Suunaat immer dafür bewundert, wie gleichgültig sie die Erwartungen anderer an sich abperlen ließ. Sie tat nie mehr, als zum Überleben nötig war.
    »Und bei dem Mädchen?«
    »Dasselbe. Nur um einen Tag versetzt.«
    »Dann ist sie mit Sicherheit Nummer drei?«
    »Willst du sie sehen?«
    »Lass uns auf Barbro warten. Sie muss jeden Moment kommen.«
    Barbro traf eine Viertelstunde später mit einem unbekannten Mann an ihrer Seite ein. »Das Mutmaßen hat ein Ende«, sagte sie zur Begrüßung. »Ich habe McKenzie mitgebracht. Er erstellt seit vierzig Jahren als forensischer Psychiater Gutachten zu Sexualverbrechen.«
    Dass er nach dieser Vergangenheit noch eine Fliege trug, fand Sofi wunderlich. Sie saß schief und war rot, deshalb zog sie alle Blicke auf sich. Sofi wäre am liebsten zu ihm hingegangen, um sie geradezurichten.

    Im Obduktionssaal hatten Suunaats Helfer inzwischen die Leichen der drei Frauen aufgebahrt. McKenzie lief sogleich zwischen den Tischen umher, als hätte Barbro einen Spürhund von der Leine gelassen.
    »Ist das Mädchen Jungfrau?«, fragte er.
    Suunaat strafte das Eindringen in ihr Revier mit vollendeter Gleichgültigkeit. »Keine von ihnen.«
    Sofi konzentrierte sich auf das Gesicht des jungen Mädchens und vermied es, den kindlichen Körper so genau zu mustern, wie McKenzie es minutenlang tat. Das bewegte Suunaat zu einer Ergänzung ihrer kargen Antwort, damit man keine Zeit verlor: Keine der Frauen hatte in den Tagen vor ihrem Tod Geschlechtsverkehr gehabt.
    McKenzie nickte nur und lief weiter seine dreischlaufige Bahn um die Tische. Um die Wartezeit zu überstehen, ersann Sofi eine Theorie, wie der augenscheinlich aus Großbritannien stammende Mann in Stockholm Gerichtspsychiater geworden war. Inzwischen war sie sicher, dass die Fliege mit Absicht schief saß. Damit wollte er Menschen wie sie zermürben.
    Dann hob er endlich den Blick. »Meine Damen, wie es aussieht, habt ihr es mit einem Serienmörder zu tun.«
    Suunaat schneuzte in ihr Taschentuch.
    »Das haben wir uns gedacht«, sagte Barbro.
    »Ihr geht also davon aus, dass sich die Serie auf die Polizei selbst bezieht und eine kriminelle Vereinigung mit einem handfesten Ziel dahintersteht?«
    Sofi trat einen Schritt vor. »Eigentlich ist das die Arbeitstheorie der Gegengruppe«, warf sie ein und trat wieder zurück.
    »Ich halte das für ganz und gar ausgeschlossen. Wir haben es hier mit einem gestörten Menschen zu tun, dem der persönliche Gewinn nichts bedeutet. Natürlich beziehen sich die Taten auf die Polizei, sie entdeckt sie ja schließlich. Stellvertretend für alle.«

    Sofi hielt ihren Notizblock hoch. »Außerdem wurde das dritte Opfer nicht hier in der Stadt ermordet. Es verschwand in Jämtland.«
    »Das lässt nur einen Schluss zu. Bei so vielen Frauen in der Stadt kann es kein Zufall sein, dass er diese ausgewählt hat. Sie selbst sind das Thema. Zwischen ihnen muss es eine Verbindung geben.«
    »Es gibt nur eine«, sagte Barbro. »Der Verdächtige.« Sie nahm die Phantomzeichnung aus der Mappe. Während McKenzie einen Blick auf das Phantom mit dem Schlapphut warf, fuhr Barbro fort. »Unsere Theorie lautet, dass die beiden ersten Opfer diesen Mann vor nicht allzu langer Zeit kennenlernten, als sie sich in einer Phase der Neuorientierung befanden.«
    »Das ist eine sehr gute Theorie, wenn man bedenkt, dass dieser Mann ihr Vater sein könnte. Stand den Frauen ihr leiblicher Vater zur Verfügung?«
    »Zur Verfügung?«, fragte Sofi.
    »Gab es einen leiblichen Vater in ihrem Leben?«
    »Bei Nummer drei wissen wir noch nichts. Bei den anderen ist es unterschiedlich. Wir verstehen weder die Verbindung zu diesem Mann noch sein Motiv.«
    »Welche Kleidung haben die Frauen getragen?«
    Barbro zog Fotos von den beiden ersten Tatorten aus ihrer Mappe. »Die Kleidung war normal. Wahrscheinlich haben sie sie auch bei ihrem Verschwinden getragen.«
    »Und das Mädchen?«
    Suunaat ging auf ihren quietschenden Sohlen zu den Becken am Fenster und kehrte mit einem Plastikbehälter zurück. Sie legte ein Stück nach dem anderen auf den Tisch: eine Jeans, einen Pullover und einen schwarzen Anorak. Alles war bei den Versuchen, das Mädchen wiederzubeleben, zerschnitten worden. Dazu die abgenutzten Basketballschuhe, wie sie bei Vierzehnjährigen zum guten Ton

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