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Der Name der Rose

Der Name der Rose

Titel: Der Name der Rose Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Umberto Eco
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er Malachias um einige Bücher bat, die er studieren wollte, leider verstand ich die Titel nicht. Malachias sah ihn befremdet an, konnte die Bitte aber nicht abschlagen. Seltsamerweise mußte er die gewünschten Bücher nicht aus der Bibliothek holen, denn sie fanden sich allesamt auf dem Tisch des Venantius. Alsbald versenkte mein Meister sich in die Lektüre, und ich beschloß, ihn nicht weiter zu stören.
    Als ich in die Küche hinabging, erblickte ich dort Bernard Gui. Vielleicht wollte er sich einen Überblick über die Anlage der Abtei verschaffen und ging überall herum. Ich hörte, wie er die Köche und Küchendiener befragte, im Dialekt jener Gegend, den er schlecht und recht sprach (ich erinnerte mich, daß er in Norditalien Inquisitor gewesen war). Soweit ich verstand, erkundigte er sich nach der Ernte, der Arbeitsorganisation im Kloster und ähnlichen Dingen mehr. Doch auch bei den harmlosesten Fragen sah er die Befragten durchdringend an und stellte dann ganz unvermittelt andere Fragen, so daß seine Opfer schließlich erbleichten und zu stammeln begannen. Mir wurde klar: Er hatte bereits mit seinen Nachforschungen begonnen und bediente sich dabei einer furchtbaren Waffe, die jeder Inquisitor beherrscht: der Einschüchterung des Verhörten. Denn irgendwann sagt gewöhnlich jeder auf diese Weise Verhörte, aus Angst, er könnte beschuldigt werden, dem Verhörenden irgend etwas, das den Verdacht auf einen anderen lenkt.
    Den ganzen restlichen Nachmittag lang, wohin ich meine Schritte auch wandte, sah ich Bernard in dieser Weise vorgehen, ob bei den Mühlen, im Garten oder im Kreuzgang. Aber so gut wie nie sprach er Mönche an, immer nur Laienbrüder oder Bauern. Das Gegenteil dessen, was William bisher getan.

VESPER
    Worin der greise Alinardus wertvolle Informationen zu geben scheint und William seine Methode enthüllt, durch eine Reihe sicherer Irrtümer zu einer wahrscheinlichen Wahrheit zu gelangen.
    Als es dunkel zu werden begann, kam William gut gelaunt aus dem Skriptorium. Wir begaben uns in den Kreuzgang, um vor dem Abendmahl noch ein paar Schritte zu tun, und fanden dort Alinardus. Ich hatte mir in der Küche, seiner zwei Tage zuvor geäußerten Bitte gedenkend, Kichererbsen besorgt und bot ihm welche an. Er nahm sie dankend, schob sie sich in den zahnlosen, sabbernden Mund und sagte: »Hast du gesehen, mein Sohn: auch die dritte Leiche lag genau da, wo es im Buche geschrieben steht … Wart nur, bald wird die vierte Posaune blasen!«
    Ich fragte den Alten, warum er so fest daran glaube, daß der Schlüssel für die Mordserie in der Offenbarung Johannis zu finden sei. Er sah mich erstaunt an: »Die Apokalypse liefert den Schlüssel für alles!« Und griesgrämig mümmelnd fügte er an: »Ich hab's gewußt, ich hab's schon immer gesagt … Ich war es, der dem Abt riet, dem von damals, daß er überall Apokalypsen-Kommentare sammeln sollte, so viele wie möglich. Ich sollte nämlich Bibliothekar werden, damals … Aber dann hat es der andere geschafft. Er war sehr schlau, er ließ sich nach Silos schicken, wo er die schönsten Handschriften fand, und kam mit reicher Beute zurück … Oh ja, er wußte genau, wo man suchen mußte, und er konnte sogar die Sprache der Ungläubigen … So wurde ihm schließlich die Bibliothek anvertraut, und ich ging leer aus … Aber Gott hat ihn gestraft und vorzeitig abberufen ins Reich der Finsternis. Hihihi …« Er kicherte bösartig vor sich hin. Bisher war mir dieser Alte in seinem milden Schwachsinn stets unschuldig wie ein Kind erschienen.
    »Wer war das, der andere, von dem Ihr da sprecht?« fragte William.
    Alinardus schaute verwirrt zu uns auf: »Wer das war? Ach, ich weiß es nicht mehr, es ist schon so lange her … Aber Gott straft, Gott löscht aus, Gott verdunkelt auch die Erinnerung. Viele Akte der Hoffart sind in der Bibliothek begangen worden. Besonders seit sie in die Hände von Fremden gefallen ist … Und Gott straft weiter …«
    Er verstummte, und es gelang uns nicht, noch mehr aus ihm herauszubekommen. So überließen wir ihn seinem stillen und gramvollen Alterswahn. Gleichwohl zeigte sich William sehr angeregt von dem kurzen Gespräch: »Alinardus ist einer, dem man aufmerksam zuhören muß. Jedesmal, wenn er spricht, sagt er etwas Interessantes.«
    »Was hat er denn diesmal Interessantes gesagt?«
    »Mein lieber Adson«, dozierte mein Meister, »das Aufklären eines Geheimnisses ist nicht dasselbe wie das Deduzieren aus festen

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