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Der Name Des Windes

Der Name Des Windes

Titel: Der Name Des Windes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patrick Rothfuss
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meinen Reisesack, und so war da nicht viel zu tun. Als mich der Kämmerer hinausgeleitete, verabschiedeten sich die anderen Studienanfänger im Chor von mir.
    Die Schlafsäle im Westflügel ähnelten denen, die ich eben hinter mir gelassen hatte. Dort standen schmale Betten aufgereiht, aber es waren einzelne, keine Etagenbetten. Und zu jedem Bett gehörte ein Spind, ein Schreibpult und eine Truhe. Es war nichts Besonderes, aber doch ein gewisser Aufstieg.
    Der größte Unterschied zeigte sich im Verhalten meiner dortigen Kommilitonen. Es gab finstere und wütende Blicke, aber die meisten beachteten mich überhaupt nicht. Es war ein kühler Empfang, zumal verglichen mit dem Abschied, den man mir just zuvor bereitet hatte.
    Der Grund dafür lag auf der Hand. Die meisten Studenten hatten geraume Zeit an der Universität zugebracht, bevor sie in das Arkanum aufgenommen wurden. Alle hier hatten sich auf die harte Tour hochgearbeitet. Ich nicht.
    Die Betten waren nur zu drei Vierteln belegt. Ich suchte mir eines hinten in der Ecke aus, abseits der anderen, hängte mein Zweithemd und meinen Umhang in den Spind und legte meinen Reisesack in die Truhe am Fußende des Betts.
    Dann legte ich mich hin und starrte an die Decke. Mein Bett befand sich außerhalb des unmittelbaren Lichtscheins der Kerzen und Sympathielampen der anderen Studenten. Endlich war ich Mitglied des Arkanums, in vieler Hinsicht genau das, was ich immer hatte werden wollen.

Kapitel 41
    Das Blut eines Freundes

    A m nächsten Morgen erwachte ich früh, wusch mich und frühstückte in der Mensa eine Kleinigkeit. Anschließend schlenderte ich, da es für mich bis zu meiner Auspeitschung um die Mittagszeit nichts zu tun gab, ziellos über das Universitätsgelände. Ich schaute mich in ein paar Apotheken um und bewunderte die gepflegten Gärten und Rasenflächen.
    Schließlich setzte ich mich in einem großen Hof auf eine Steinbank. Ich war zu nervös, um irgendetwas Sinnvolles zu tun, und so saß ich einfach nur da, genoss das schöne Wetter und sah dem Wind dabei zu, wie er einige Papierknäuel über das Kopfsteinpflaster trudeln ließ.
    Es dauerte nicht lange, da kam Wilem herbei und setzte sich zu mir, ohne dass ich ihn dazu aufgefordert hätte. Seine eigenartigen dunklen Haare und Augen ließen ihn zwar älter wirken als Simmon und mich, aber er hatte immer noch den leicht beklommenen Blick eines Jungen, der sich noch nicht an seine Mannesgröße gewöhnt hat.
    »Hast du Angst?«, fragte er.
    »Ehrlich gesagt, versuche ich nicht daran zu denken«, sagte ich.
    Wilem grunzte. Wir schwiegen eine Weile und sahen den vorbeigehenden Studenten zu, und einige von ihnen unterbrachen ihre Gespräche und zeigten auf mich.
    Ich wurde ihrer Aufmerksamkeit schnell überdrüssig. »Hast du gerade etwas zu tun?«, fragte ich.
    »Ich sitze hier«, antwortete Wilem. »Und ich atme.«
    »Sehr clever. Jetzt wird mir klar, warum du Mitglied des Arkanums bist. Hast du in der nächsten Stunde etwas vor?«
    Er zuckte die Achseln und sah mich erwartungsvoll an.
    »Würdest du mir zeigen, wo ich Meister Arwyl finde? Er hat gesagt, ich solle zu ihm kommen … hinterher.«
    »Gern«, sagte er und zeigte auf einen Ausgang des Hofs. »Die Mediho befindet sich von hier aus hinter der Bibliothek.«
    Wir umrundeten den riesigen, fensterlosen Klotz. »Das ist die Medizinische Hochschule«, sagte Wilem und deutete auf einen großen, seltsam geformten Bau. Er sah aus wie eine größere, aber nicht ganz so verschachtelte Version des Hauptgebäudes.
    »Größer als ich gedacht hatte«, sagte ich nachdenklich. »Und das alles nur für den Medizinunterricht?«
    Wilem schüttelte den Kopf. »Nein, hauptsächlich behandeln sie da Kranke. Sie weisen nie jemanden ab, auch wenn er nicht zahlen kann.«
    »Tatsächlich?« Ich sah mir das Gebäude noch einmal an und dachte an Meister Arwyl. »Ist ja erstaunlich.«
    »Man muss nicht im Voraus zahlen«, erläuterte Wilem. »Erst wenn man gesund ist. Und wenn man nicht bezahlen kann, kann man seine Schulden auch abarbeiten. Nur wenige verschwinden, ohne ihre Schulden beglichen zu haben.«
    Ich lachte vielsagend. »Kein Wunder. Wer würde denn schon vor einem Arkanisten weglaufen, der ein paar Tropfen Blut von einem hat?«
    Schließlich kamen wir auf einen weiteren Hof. In seiner Mitte ragte ein Fahnenmast empor, und darunter stand eine Steinbank. Ich musste nicht lang raten, wen man in knapp einer Stunde an diesen Mast binden würde. Es hatten sich schon

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