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Der Name Des Windes

Der Name Des Windes

Titel: Der Name Des Windes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patrick Rothfuss
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dass sie daswahrscheinlich gegen mich aufbringen würde. Aber ich gab mich auch nicht reumütig. Ich hielt mich einfach nur aufrecht, wie mein Vater mir das beigebracht hatte, und ließ mir weder Furcht noch Bedauern anmerken.
    Und wie ich so ging, spürte ich, wie die Nahlwurz zu wirken begann. Ich war hellwach, und rings um mich her wurde alles so hell, dass es schon fast wehtat. Die Zeit schien langsamer zu vergehen, als ich mich der Mitte des Platzes näherte. Wenn meine Füße das Kopfsteinpflaster berührten, sah ich den kleinen Staubwölkchen zu, die sich dabei bildeten. Ich spürte, wie eine Brise den Saum meines Umhangs erfasste und darunter schlich, um den Schweiß zwischen meinen Schulterblättern zu kühlen. Einen Moment lang kam es mir so vor, als könnte ich, wenn ich nur wollte, die Gesichter in der Menge rings um mich her zählen wie die Blumen auf einer Wiese.
    Ich sah keinen Meister in der Menge – außer Hemme. Er stand in der Nähe des Fahnenmastes und sah in seiner Selbstgefälligkeit aus wie ein Schwein. Er verschränkte die Arme vor der Brust und ließ die Ärmel seines schwarzen Talars lose herabhängen. Er erhaschte meinen Blick, und sein Mund verzog sich zu einem leichten Grinsen.
    Ich beschloss, mir eher die Zunge abzubeißen als ihm die Genugtuung zu geben, ängstlich oder auch nur besorgt zu wirken. Vielmehr lächelte ich ihn zuversichtlich an und wandte dann den Blick ab, so als interessiere er mich nicht im Mindesten.
    Dann stand ich vor dem Fahnennmast. Jemand verlas etwas, aber die Worte drangen nicht bis zu mir durch. Ich nahm meinen Umhang ab und legte ihn über die Rückenlehne der Steinbank am Fuße des Masts. Dann knöpfte ich mir das Hemd auf, so beiläufig, als würde ich gleich ein Bad nehmen.
    Eine Berührung an meinem Handgelenk ließ mich innehalten. Der Mann, der den Text verlesen hatte, sah mich mit einem tröstlich gemeinten Lächeln an. »Du musst das Hemd nicht ausziehen«, sagte er. »Mit Hemd tut es nicht ganz so weh.«
    »Ich werde doch so ein schönes Hemd nicht ruinieren«, sagte ich.
    Er sah mich fragend an, zuckte dann die Achseln und fädelte ein Seil durch einen Eisenring über unseren Köpfen. »Gib mir deine Hände.«
    »Ich laufe nicht weg, keine Bange.«
    »Das soll verhindern, dass du umkippst, wenn du ohnmächtig wirst.«
    Ich sah ihn streng an. »Wenn ich ohnmächtig werde, dürft ihr mit mir machen, was ihr wollt«, sagte ich. »Aber fesseln lasse ich mich nicht.«
    Etwas an meinem Tonfall gab ihm zu denken. Er widersprach nicht, als ich auf die Steinbank unter dem Mast stieg und die Hände nach dem Eisenring ausstreckte. Dann hielt ich mich mit beiden Händen daran fest. Der Ring war glatt und kühl, ein seltsam tröstliches Gefühl. Ich konzentrierte mich darauf, während ich mich in das Steinerne Herz versenkte.
    Ich hörte, wie die Leute vom Fuß des Fahnenmastes zurückwichen. Dann wurde die Menge still, und es war nur noch das Zischen und Knallen der Peitsche zu hören, die hinter mir geschwungen wurde. Ich war erleichtert, dass es eine ganz normale Peitsche war. In Tarbean hatte ich gesehen, wie eine neunschwänzige Katze Hackfleisch aus dem Rücken eines Mannes gemacht hatte.
    Dann herrschte Stille. Und ehe ich mich wappnen konnte, erscholl ein lauterer Knall als zuvor. Ein Strich aus Feuer zog sich über meinen Rücken.
    Ich biss die Zähne zusammen. Aber es war längst nicht so schlimm wie gedacht. Trotz der Vorsichtsmaßnahmen, die ich getroffen hatte, hatte ich mit einem stärkeren Schmerz gerechnet.
    Dann folgte der zweite Peitschenhieb. Er knallte lauter, und ich hörte ihn eher mit dem ganzen Körper als mit den Ohren. Ich spürte, wie mein Rücken aufplatzte. Ich hielt den Atem an, wusste, dass ich verwundet war und blutete. Für einen Moment wurde alles rot, und ich drückte mich an das grobe, geteerte Holz des Fahnenmastes.
    Der dritte Hieb kam, ehe ich darauf gefasst war. Er traf mich an der linken Schulter und peitschte hinab bis zur linken Hüfte. Ich biss die Zähne zusammen, weigerte mich, auch nur einen Laut von mir zu geben. Ich hielt die Augen offen, und an den Rändern meines Gesichtsfeldes wurde es für einen kurzen Moment dunkel.
    Dann setzte ich, ohne das Brennen auf meinem Rücken zu beachten, die Füße auf die Rückenlehne der Bank und löste meineFinger aus dem Eisenring. Ein junger Mann eilte herbei, so als erwarte er, mich auffangen zu müssen. Ich funkelte ihn herablassend an, und er wich zurück. Ich nahm mein

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