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Der Name Des Windes

Der Name Des Windes

Titel: Der Name Des Windes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patrick Rothfuss
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sagte Kote und lehnte sich die Eisenstange an die Schulter, »da wäre noch etwas. Hast du noch so eine Schürze und ein Paar Schmiedehandschuhe?«
    »Könnte sein«, erwiderte Caleb zögernd. »Wieso?«
    »Hinter dem Wirtshaus ist ein altes Brombeergestrüpp.« Kote wies mit einer Kopfbewegung hinüber. »Ich will es vielleicht rausreißen, damit ich dort nächstes Jahr einen Garten anlegen kann. Aber ich habe keine Lust, mir dabei die Haut in Fetzen zu reißen.«
    Der Schmied nickte und lud Kote mit einer Handbewegung ein, ihm in den hinteren Teil der Werkstatt zu folgen. »Ich habe hier noch mein altes Zeug«, sagte er und holte ein Paar schwere Handschuhe und eine steife Lederschürze hervor, die beide an einigen Stellen verkohlt und mit Schmierfettflecken überzogen waren. »Die sind nicht mehr schön, aber sie würden wohl das Schlimmste abhalten.«
    »Wie viel willst du dafür haben?«, fragte Kote und griff nach seinem Geldbeutel.
    Der Schmied schüttelte den Kopf. »Ein Jot wäre fast schon zuviel. Die Sachen nützen mir ja nichts mehr. Und dem Jungen auch nicht.«
    Der Wirt gab ihm eine Münze, und der Schmied stopfte die Sachen in einen alten Leinensack. »Bist du sicher, dass jetzt die richtige Zeit für so was ist?«, fragte der Schmied. »Es hat schon eine ganze Weile nicht mehr geregnet. Und nach dem Tauwetter im Frühjahr wird der Boden lockerer sein.«
    Kote zuckte die Achseln. »Mein Großvater hat immer gesagt, der Herbst sei die richtige Zeit, um etwas mit der Wurzel auszureißen, von dem man nicht will, dass es wieder nachwächst und einem Scherereien bereitet.« Kote ahmte die zitternde Stimme eines alten Mannes nach. »Im Frühjahr stehen die Dinge zu sehr voll Lebenssaft. Im Sommer sind sie zu kräftig und geben nicht nach. Der Herbst …« Er sah sich zu dem bunten Laub der Bäume um. »Der Herbst ist die richtige Zeit. Im Herbst ist alles müde und bereit zu sterben.«

    An diesem Nachmittag schickte Kote Bast früh zu Bett, damit er seinen Schlaf nachholen konnte. Dann ging er lustlos im Wirtshaus hin und her und erledigte kleinere Verrichtungen, die am Vorabend liegen geblieben waren. Es kam keine Kundschaft. Als es schließlich dunkel wurde, machte er Licht und blätterte in einem Buch.
    Der Herbst war eigentlich die geschäftigste Zeit des Jahres. Doch in letzter Zeit kamen nur noch selten Reisende. Kote wusste nur zu gut, wie lang der Winter werden würde.
    Er schloss das Wirtshaus früher als üblich, was er bisher nie getan hatte. Er machte sich nicht die Mühe auszufegen, denn der Boden hatte es nicht nötig. Er wischte auch Tresen und Tische nicht ab, denn sie waren nicht benutzt worden. Er polierte ein, zwei Flaschen, schloss die Tür ab und ging zu Bett.
    Es war niemand da, der die Veränderung bemerkt hätte. Niemand außer Bast, der seinen Herrn und Meister beobachtete, sich Sorgen machte und abwartete.

Kapitel 4
    Auf halber Strecke nach Newarre

    D er Chronist ging. Am Vortag war er noch gehumpelt, nun aber gab es an seinen Füßen keine Stelle mehr, die ihm nicht wehtat, und daher half auch kein Humpeln. Er hatte sich in Abbott’s Ford und Rannish nach Pferden umgetan, hatte für die klapprigsten Schindmähren unerhörte Preise geboten. Doch in kleinen Ortschaften wie diesen konnten die Leute keine Pferde entbehren, schon gar nicht jetzt, zu Beginn der Erntezeit.
    Obwohl er den ganzen Tag lang zügig gewandert war, war er immer noch unterwegs, als es dunkel wurde und sich die ausgefurchte, unbefestigte Straße in eine kaum mehr zu erkennende Stolperstrecke verwandelte. Nachdem er zwei Stunden lang durch die Dunkelheit getappt war, entdeckte der Chronist einen flackernden Lichtschein zwischen den Bäumen. Er gab das Vorhaben auf, es an diesem Abend noch nach Newarre zu schaffen, und befand, dass ihm die Gastfreundschaft auf einem Bauernhof jetzt sehr gelegen käme.
    Er ließ die Straße hinter sich und tappte durch den Wald auf das Licht zu. Es war weiter entfernt, als er angenommen hatte, und auch größer. Es war auch kein Lampenschein aus einem Haus und nicht einmal das Licht eines Lagerfeuers. Es war vielmehr ein hoch aufloderndes Feuer in der Ruine eines alten Hauses, die aus nicht viel mehr als zwei hinfälligen Mauern bestand. In der Ecke dieser Mauern saß ein Mann in einem schweren Umhang mit großer Kapuze, als wäre es kein milder Herbstabend, sondern tiefster Winter.
    Der Chronist schöpfte neue Hoffnung, als er ein kleineres Kochfeuer erblickte, über dem ein

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