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Der Name Des Windes

Der Name Des Windes

Titel: Der Name Des Windes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patrick Rothfuss
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je. Ich holte die nächste Runde – drei Krüge Apfelwein. Auf Wilems finsteren Blick reagierte ich, indem ich ihm sagte, wenn ich an diesem Abend mein Abzeichen erringen würde, würde ich ihm so viel Scutten spendieren, dass er sich auf einer Woge davon nach Hause schwemmen lassen könnte. Wenn aber einer von ihnen schon vorher betrunken sei, würde ich denjenigen verprügeln und in den Fluss werfen. Von da an ließen sie es merklich ruhiger angehen und fingen an, sich für Tinker Tanner neue, obszöne Verse auszudenken.
    Ich ließ sie machen und zog mich in meine Gedanken zurück. Ich kam zu dem Schluss, dass Stanchion mit seinem unausgesprochenen Rat vielleicht doch recht hatte. Ich überlegte, welche anderen Lieder ich spielen könnte – Lieder, die schwierig genug waren, um damit mein generelles Können unter Beweis zu stellen, aber doch auch einfach genug, um mir Raum für ein paar Kabinettstückchen zu lassen.
    Simmons Stimme holte mich ins Hier und Jetzt zurück. »Komm schon, du kannst doch so gut reimen …«, drängte er mich.
    Ich wiederholte im Geiste den letzten Gesprächsfetzen von ihnen, den ich halbwegs mitbekommen hatte. »Versuch’s mal mit ›unter des Tehlaners Rock‹«, schlug ich desinteressiert vor. Ich war zu nervös, um zu erzählen, dass schon mein Vater einen Hang zu schmutzigen Limericks gehabt hatte.
    Die beiden kicherten vergnügt, und ich grübelte wieder über die Frage nach, welches Lied ich singen sollte. Ich war noch nicht sehr weit damit gekommen, als Wilem mich erneut ablenkte.
    »Was!«, sagte ich wütend. Doch dann sah ich bei Wilem einen Blick, den er nur hatte, wenn ihm etwas gar nicht gefiel. »Was?«, fragte ich noch einmal in manierlicherem Tonfall.
    »Da ist jemand, den wir alle kennen und schätzen«, sagte er und wies mit einer Kopfbewegung zum Eingang.
    Ich sah dort niemanden, den ich kannte. Das Eolian war nun schon ziemlich voll, und allein hier unten im Saal liefen und standen mindestens hundert Leute herum. Durch die offene Eingangstür bemerkte ich, dass es draußen dunkel geworden war.
    »Er steht mit dem Rücken zu uns. Er faselt in seiner üblichen schmierigen Art auf eine schöne junge Dame ein, die ihn offenbar noch nicht kennt … rechts neben dem dicken Herrn in Rot«, lenkte Wilem meinen Blick.
    »Der Scheißkerl«, sagte ich, zu verblüfft für ein angemesseneres Schimpfwort.
    Simmon sah sich um. »Wer ist denn da?«
    »Ambrose.«
    »Ach du Scheiße«, sagte Simmon und duckte sich. »Das hat ja grade noch gefehlt. Habt ihr euch denn immer noch nicht versöhnt?«
    »Ich lasse ihn in Frieden«, protestierte ich. »Aber jedes Mal, wenn er mich sieht, kann er es nicht lassen, irgendwelche Sticheleien in meine Richtung abzugeben.«
    »Zu so etwas gehören immer zwei«, erwiderte Simmon.
    »Ach was«, entgegnete ich. »Und es ist mir vollkommen egal, wessen Sohn er ist. Ich werde ihm nicht in den Arsch kriechen. Und wenn er mir dumm kommt, wird er sein blaues Wunder erleben.« Ich atmete tief durch, um mich zu beruhigen, und gab mir Mühe, vernünftig zu klingen. »Irgendwann wird er schon noch lernen, mich in Ruhe zu lassen.«
    »Du solltest ihn auch einfach gar nicht beachten«, sagte Simmon und klang dabei erstaunlich nüchtern. »Lass dich einfach nicht provozieren, dann wird er es bald aufgeben.«
    »Nein«, sagte ich und sah Simmon mit ernstem Blick in die Augen. »Nein, das wird er nicht.« Ich mochte Simmon sehr gern, aber manchmal war er unglaublich naiv. »Sobald er glaubt, dass ich schwach bin, wird er sich mit doppelter Vehemenz auf mich stürzen. Ich kenne diesen Typ.«
    »Da kommt er«, bemerkte Wilem und wandte unauffällig den Blick ab.
    Ambrose sah mich, noch bevor er auf unserer Seite des Saals angelangt war. Unsere Blicke trafen sich, und es war offensichtlich, dass er nicht erwartet hatte, mich hier zu sehen. Er sagte etwas zu einem seiner stets präsenten Stiefellecker, und sie zogen in eine andere Richtung los, um sich einen Tisch zu sichern. Dann sah Ambrose von mir zu Wilem und Simmon und zu meiner Laute hinüber und nahm dann wieder mich in den Blick. Schließlich wandte er sich ab und ging zu dem Tisch, den seine Freunde besetzt hatten. Und bevor er dort Platz nahm, sah er noch einmal zu mir herüber.
    Es machte mich nervös, dass er nicht lächelte. Sonst hatte er mich stets höhnisch angelächelt.
    Dann sah ich etwas, das mich noch weit mehr enervierte. Er trug einen rechteckigen Kasten. »Ambrose spielt Leier?«, fragte

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