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Der Name Des Windes

Der Name Des Windes

Titel: Der Name Des Windes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patrick Rothfuss
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wieder hineinfand und ihren Vortrag beendete.
    Als Stanchion diesmal im Publikum umherging, dauerte es länger. Er zog durch alle drei Etagen und sprach mit jedermann, mit Jung und Alt, mit Musikern und Laien.
    Und während ich zusah, erhaschte Ambrose den Blick der Frau auf der Bühne und warf ihr ein typisches Ambrose-Lächeln zu, dasauf mich immer so schmierig wirkte, die Frauen aber zu bezaubern schien. Dann wanderte sein Blick zu unserem Tisch hinüber, und wir sahen einander in die Augen. Sein Lächeln schwand, und eine ganze Zeitlang sahen wir einander einfach nur mit ausdrucksloser Miene an. Keiner von uns lächelte höhnisch oder stieß leise Beleidigungen aus. Trotzdem flammte in diesen Minuten unsere Feindschaft wieder auf. Wer von uns als Erster den Blick abwandte, weiß ich nicht mehr.
    Nachdem er fast eine Viertelstunde lang Meinungen eingeholt hatte, betrat Stanchion wieder die Bühne. Wie bei dem Musiker zuvor ergriff er die Hand der goldblonden Frau. Und auch ihr war die Enttäuschung anzusehen. Stanchion geleitete sie von der Bühne und spendierte ihr das, was offenbar der Trost-Krug war.
    Auf diesen Fehlversuch folgte ein weiterer ausgezeichneter Musiker, der Geige spielte. Er war ebenso gut wie seine beiden Vorgänger. Dann führte Stanchion einen älteren Herrn auf die Bühne, so als wollte dieser sein Talent erproben, doch der Beifall, der ihn empfing, schien darauf hinzudeuten, dass er hier so beliebt war wie die ausgezeichneten Musiker, die vor ihm aufgetreten waren.
    Ich stieß Simmon an. »Wer ist das?«, fragte ich, während der graubärtige Mann seine Leier stimmte.
    »Threpe«, flüsterte Simmon. »Also eigentlich Graf Threpe. Er spielt hier oft. Schon seit Jahren. Ein großer Förderer der schönen Künste. Er hat es schon vor Jahren aufgegeben, sich um das Abzeichen zu bewerben. Nun spielt er einfach nur. Alle mögen ihn.«
    Threpe begann, und ich erkannte sofort, warum er nie ein Abzeichen errungen hatte. Seine Stimme bebte und versagte auch ein paar Mal, während er seine Leier zupfte. Der Rhythmus seines Vortrags änderte sich mitunter sprunghaft, und ob er sich verspielte oder nicht, war gar nicht einmal so einfach zu erkennen. Das Lied hatte er offenbar selbst geschrieben. Es enthielt die recht freimütige Enthüllung der privaten Gewohnheiten eines örtlichen Edelmannes. Doch obwohl ihm jedes Können im klassischen Sinne abging, lachte ich über seine Moritat ebenso schallend wie das übrige Publikum.
    Er erntete einen Beifallssturm, einige Leute klopften sogar auf die Tische und trampelten mit den Füßen. Stanchion eilte sofort auf die Bühne und schüttelte dem Grafen die Hand, aber Threpe schiendarüber nicht im Mindesten enttäuscht. Stanchion klopfte ihm begeistert auf den Rücken und geleitete ihn von der Bühne und an den Tresen.
    Es war Zeit. Ich erhob mich und nahm meine Laute.
    Wilem tätschelte mir den Arm, und Simmon gab mir ein aufmunterndes Lächeln mit, das kaschieren sollte, wie besorgt er war. Ich nickte den beiden zu und ging zu Stanchions Platz am Tresenende.
    In meiner Tasche betastete ich das Silbertalent. Es fühlte sich dick und schwer an. Ein irrationaler Teil meiner selbst wollte es festhalten, für später aufheben. Ich wusste jedoch, dass mir in ein paar Tagen ein einziges Silbertalent nicht mehr viel nützen würde. Wenn ich aber das Abzeichen des Eolian besaß, konnte ich für meinen Lebensunterhalt sorgen, indem ich in den örtlichen Wirtshäusern auftrat. Und falls ich das Glück hatte, die Aufmerksamkeit eines Gönners zu erregen, hatte ich womöglich bald genug Geld, um meine Schulden bei Devi zu begleichen und auch noch meine Studiengebühren zu bezahlen. Es war ein Wagnis, das ich einfach eingehen musste.
    Stanchion kam zurück an seinen Platz am Tresen.
    »Wenn es Euch recht ist, würde ich gerne als Nächster auftreten, Sir«, sagte ich. Ich hoffte, dass man mir meine Nervosität nicht ansah. Meine Handflächen waren so feucht, dass mir der Lautenkasten immer wieder fast entglitt.
    Er lächelte und nickte. »Du hast ein gutes Auge fürs Publikum. Die sind hier jetzt reif für ein trauriges Lied. Soll es immer noch der Savien sein?«
    Ich nickte.
    Er setzte sich und trank einen Schluck. »Also gut, aber lass sie noch ein paar Minuten quatschen und lärmen.«
    Ich war einverstanden und lehnte mich an den Tresen. Die Zeit bis zu meinem Auftritt nutzte ich unsinnigerweise dazu, mich über Dinge zu ärgern, auf die ich keinen Einfluss hatte. An

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