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Der Name Des Windes

Der Name Des Windes

Titel: Der Name Des Windes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patrick Rothfuss
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ich.
    Wilem zuckte die Achseln. Simmon schaute beklommen drein. »Ich dachte, das wüsstest du«, sagte er.
    »Habt ihr ihn hier schon mal gesehen?«, fragte ich. Sim nickte. »Hat er da gespielt?«
    »Eher rezitiert. Gedichte. Und hat dazu ein bisschen auf der Leier rumgezupft.« Simmon guckte wie ein aufgeschrecktes Kaninchen.
    »Hat er das Abzeichen verliehen bekommen?«, fragte ich. Wenn Ambrose Mitglied in diesem Verein war, wollte ich damit nichts zu tun haben.
    »Nein«, sagte Simmon. »Er hat es versucht, aber …«
    Wilem legte mir eine Hand auf den Arm und machte eine beschwichtigende Geste. Ich atmete tief durch, schloss die Augen und versuchte mich zu beruhigen.
    Und dann wurde mir klar, dass das alles keine Rolle spielte. Es führte allenfalls dazu, dass ich an diesem Abend ein größeres Risiko einging. Ambrose würde nicht in der Lage sein, mich beim Spielen zu stören. Er würde gezwungen sein, mir zuzuhören. Er würde zuhören, wie ich Das Lied von Sir Savien Traliard sang und spielte, denn jetzt war es keine Frage mehr, was ich an diesem Abend zu Gehör bringen würde.

    Das Programm des Abends begann mit einem ausgezeichneten Musiker aus dem Publikum. Er hatte eine Laute dabei und bewies, dass er darauf ebenso gut spielen konnte wie ein Edema Ruh. Sein zweites Lied, das ich noch nie gehört hatte, war sogar noch schöner.
    Es folgte eine etwa zehnminütige Pause, und dann wurde ein weiterer ausgezeichneter Musiker auf die Bühne gerufen. Er hatte eine Panflöte bei sich und spielte so gut darauf, wie ich es noch nie gehört hatte. Anschließend sang er ein betörend schönes Trauerlied. Keine Begleitung, nur seine hohe, klare Stimme, die er ebenso virtuos beherrschte wie die Panflöte zuvor.
    Ich war froh, dass die Musiker tatsächlich so hervorragend waren wie behauptet. Doch gleichzeitig wuchs auch meine Sorge. Das Gute ist des Guten einziger Gefährte. Hätte ich nicht schon aus anderen Gründen beschlossen gehabt, Das Lied von Sir Savien Traliard vorzutragen, so hätten mich diese Auftritte dazu gebracht.
    Es folgte wieder eine Pause von fünf oder zehn Minuten. Mir wurde klar, dass Stanchion seinem Publikum mit diesen Pausen Gelegenheit gab, sich zu bewegen und Lärm zu machen. Der Mann verstand etwas von seinem Geschäft. Ich fragte mich, ob er früher wohl einmal ein Kollege meines Vaters gewesen war.
    Dann folgte die erste Prüfung des Abends. Ein bärtiger Mann von etwa dreißig Jahren wurde von Stanchion auf die Bühne geleitet und dem Publikum vorgestellt. Er spielte Flöte, und zwar sehr gut. Er spielte zwei kürzere Stücke, die ich kannte, und ein längeres, das mirunbekannt war. Er spielte insgesamt etwa zwanzig Minuten, und ich bemerkte nur einen einzigen kleinen Fehler.
    Als der Beifall verebbt war, blieb der Flötenspieler auf der Bühne, und Stanchion ging im Publikum umher und holte Meinungen ein. Ein Kellner brachte dem Flötisten ein Glas Wasser.
    Schließlich kam Stanchion wieder auf die Bühne. Im Saal war es still, als er dem Musiker mit ernster Miene die Hand schüttelte. Dem Mann entgleiste der Gesichtsausdruck, aber dann rang er sich doch noch ein mattes Lächeln ab und nickte dem Publikum zu. Stanchion führte ihn von der Bühne und lud ihn anschließend zu einem Krug ein.
    Die Nächste, die ihr Talent auf die Probe stellte, war eine prächtig gekleidete junge Frau mit goldblondem Haar. Nachdem Stanchion sie vorgestellt hatte, sang sie eine Arie, mit einer Stimme, die so klar und rein war, dass ich alle Sorgen für eine Weile vergaß und mich von ihrem Gesang gefangen nehmen ließ.
    Doch allzu schnell war es vorbei und ließ mich mit Wehmut im Herzen und den Tränen nah zurück. Simmon schniefte ein wenig und rieb sich verlegen das Gesicht.
    Dann sang sie ein zweites Lied und begleitete sich selbst auf einer kleinen Harfe. Ich sah ihr aufmerksam zu, und das nicht nur ihrer musikalischen Fähigkeiten wegen. Ihr Haar war wie reifer Weizen. Von meinem Platz aus, gut zehn Meter entfernt, konnte ich das klare Blau ihrer Augen sehen. Sie hatte geschmeidige Arme und kleine, feingliedrige Hände, mit denen sie über die Saiten huschte. Und die Art und Weise, wie sie die Harfe zwischen den Beinen hielt, ließ mich … nun ja, an die Dinge denken, an die jeder fünfzehnjährige Junge nun einmal ununterbrochen denkt.
    Sie sang wieder so schön wie zuvor, doch leider spielte sie nicht gleich gut Harfe. Mitten im zweiten Lied vergriff sie sich und kam ins Stocken, ehe sie dann

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