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Der Name Des Windes

Der Name Des Windes

Titel: Der Name Des Windes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patrick Rothfuss
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meiner Laute war ein Wirbel lose, und ich hatte nicht das Geld, ihn reparieren zu lassen. Es waren bisher keine ausgezeichneten Frauen aufgetreten. Ich verspürte ein ängstliches Unbehagen bei dem Gedanken, dass dies womöglich einer der ganz seltenen Abende war, an denen im Eolian keine Musikerinnen mit Auszeichnung auftraten, oder nur solche, die Aloines Part nicht beherrschten.
    Stanchion stieg von seinem Hocker und blickte mich fragend mit erhobener Augenbraue an. Ich nickte und nahm meinen Lautenkasten, der mir mit einem Mal fürchterlich schäbig vorkam. Gemeinsam gingen wir die Treppe zur Bühne hinauf.
    In dem Moment, als ich die Bühne betrat, verstummten die Gespräche im Saal. Gleichzeitig verschwand meine Nervosität. So war es immer bei mir. Vor dem Auftritt hatte ich fürchterliches Lampenfieber. Doch wenn ich erst einmal auf der Bühne stand, war ich so ruhig wie eine windstille Winternacht.
    Stanchion stellte mich als Anwärter auf das Abzeichen vor. Seine Worte hatten die beruhigende Wirkung eines Rituals. Als er auf mich zeigte, folgte kein Beifall, sondern nur erwartungsvolles Schweigen. Für einen Augenblick sah ich mich, wie das Publikum mich sehen musste: Nicht gut gekleidet, wie die anderen, sondern beinahe in Lumpen. Und jung, fast noch ein Kind. Ich spürte ihre Neugier und ließ mir Zeit, während ich meinen ramponierten, gebraucht gekauften Lautenkasten öffnete und meine ramponierte, gebraucht erstandene Laute herausnahm. Ich spürte, wie bei diesem vertrauten Anblick die Aufmerksamkeit des Publikums wuchs. Ich spielte leise ein paar Akkorde, griff dann nach den Wirbeln und stimmte die Laute ein klein wenig nach. Dann spielte ich wieder ein paar Akkorde, lauschte und nickte schließlich.
    Das Licht, das die Bühne erhellte, ließ den restlichen Saal von dort gesehen schummrig erscheinen. Als ich in den Zuschauerraum blickte, schienen mich tausend Augen anzusehen. Simmon und Wilem. Stanchion am Tresen. Deoch am Eingang. Ich verspürte ein leichtes Flattern in der Magengegend, als ich sah, dass Ambrose mich mit vor Hass glühenden Augen ansah.
    Ich wandte den Blick von ihm ab und sah einen bärtigen Mann in Rot, Graf Threpe, ein älteres Paar, das Händchen hielt, ein schönes, dunkeläugiges Mädchen …
    Mein Publikum. Ich lächelte ihnen zu. Und dann sang ich.
    Schweigt still! Denn so ihr auch bekämt
    Der Lieder viel zu hören, ihr vernähmt
    wie dies kein zweites, von Illien selbst verfasst
    Vor Zeiten. Eines Meisterlebens Meistersang
    Von Savien und Aloine, die er zur Frau errang.
    Ein Raunen ging durch den Saal. Die das Lied kannten, murmelten erstaunt, und die es nicht kannten, fragten ihre Nachbarn, was der Aufruhr zu bedeuten habe.
    Ich legte die Hände auf die Saiten und bannte so erneut ihre Aufmerksamkeit. Im Saal wurde es still, und ich begann zu spielen.
    Die Musik strömte aus mir heraus, und meine Laute war wie eine zweite, dann auch wie eine dritte Stimme. Ich sang in dem stolzen und kraftvollen Tonfall Savien Traliards, dem Größten der Amyr. Das Publikum wogte unter der Musik wie ein Kornfeld unter dem Wind. Ich sang als Sir Savien, und ich spürte, dass sie anfingen, mich zu lieben und zu fürchten.
    Ich war es so gewöhnt, das Lied allein zu üben, dass ich fast vergessen hätte, den dritten Refrain noch einmal zu wiederholen. Es fiel mir im letzten Moment noch ein, und kalter Schweiß brach mir aus. Und während ich sang, schaute ich ins Publikum und hoffte, dass eine Frauenstimme mir antworten würde.
    Ich erreichte das Ende des Refrains, und als Nächstes folgte nun Aloines erste Strophe. Ich schlug den ersten Akkord hart an und ließ den Ton verhallen, ohne dass er eine Stimme aus dem Publikum angelockt hatte. Ich schaute ganz ruhig in den Saal und wartete. Eine große Erwartung rang in mir mit einer noch größeren Enttäuschung.
    Dann schwebte eine Stimme sacht wie eine Feder zur Bühne empor und sang …
    Savien, woher wusstest du,
    Dass die Zeit mich aufzusuchen war?
    Savien, du erinnerst dich
    Der Tage süß und wunderbar?
    Wie gut hast du behalten, was
    In Herz mir und Gemüt lag immerdar?
    Sie sang die Aloine, ich den Savien. Bei den Refrains verbanden, vermengten, umschlangen sich unsere Stimmen. Aus einem Impuls heraus suchte ich im Publikum nach dem Gesicht der Frau mit der mondscheinkühlen Stimme, doch bei diesem Versuch versagten mir kurz die Finger. Abgelenkt, griff ich daneben und verursachte einen Missklang.
    Ein kleiner Fehler. Ich biss die

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