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Der Name Des Windes

Der Name Des Windes

Titel: Der Name Des Windes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patrick Rothfuss
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und ging.

    Eine halbe Stunde später stand ich auf dem Treppenabsatz vor Devis Tür und versuchte den widerlichen Gestank aus der Metzgerei im Erdgeschoss zu ignorieren. Ich zählte zum dritten Mal mein Geld und überlegte, was ich nun tun sollte. Ich konnte meine Schulden vollständig begleichen und auch noch die Studiengebühren bezahlen, wäre aber dann vollkommen ohne Geld. Ich hatte auch noch anderweitige Schulden zu begleichen, und so gerne ich auch Devis Gewalt entronnen wäre, behagte mir doch der Gedanke überhaupt nicht, das Trimester mit leeren Taschen zu beginnen.
    Plötzlich öffnete sich die Tür, und ich erschrak. Devi spähte misstrauisch durch den Türspalt, aber als sie mich erkannte, lächelte sie. »Was schleichst du denn vor meiner Tür herum?«, fragte sie. »Ein Gentleman klopft doch wohl an.« Sie hielt mir die Tür auf.
    »Ich habe bloß nachgedacht«, sagte ich. Sie verriegelte die Tür hinter mir. Der Raum sah aus wie beim letzten Mal. Statt nach Lavendel duftete es nun nach Zimt.
    »Käme es dir sehr ungelegen, wenn ich dieses Trimester nur die Zinsen bezahlen würde?«
    »Ganz und gar nicht«, erwiderte sie großzügig. »Ich betrachte das ohnehin als langfristige Geldanlage.« Sie zeigte auf einen Stuhl. »Und außerdem würde das bedeuten, dass ich dich wiedersehe. Du glaubst ja nicht, wie selten ich Besuch bekomme.«
    »Das liegt wahrscheinlich eher an der Lage als an dir«, erwiderte ich.
    Sie zog die Nase kraus. »Ich weiß. Ursprünglich habe ich mich hier niedergelassen, weil es billig war. Und nun fühle ich mich verpflichtet zu bleiben, weil meine Kunden so wenigstens wissen, wo sie mich finden.«
    Ich legte zwei Talente auf ihr Pult und schob sie ihr hin. »Darf ich dir eine Frage stellen?«
    Sie sah mich verschmitzt an. »Ist es eine unziemliche Frage?«
    »Ein wenig schon, ja. Hat schon mal jemand versucht, dich bei den Behörden anzuzeigen?«
    »Nun«, sagte sie und beugte sich auf ihrem Stuhl vor. »Diese Frage lässt sich so oder so verstehen.« Sie hob eine Augenbraue und sah mich mit eisblauen Augen an. »Willst du mir drohen, oder bist du bloß neugierig?«
    »Bloß neugierig«, erwiderte ich schnell.
    »Ich mache dir einen Vorschlag.« Sie wies mit einer Kopfbewegung auf meine Laute. »Du spielst ein Lied für mich, und ich erzähle dir die Wahrheit.«
    Ich lächelte, klappte den Kasten auf und nahm meine Laute heraus. »Was würdest du denn gerne hören?«
    Sie überlegte. »Kannst du Verlass die Stadt, Kessler ?«
    Ich spielte es. Den Refrain sang sie begeistert mit, und am Ende strahlte sie und klatschte wie ein junges Mädchen in die Hände – was sie, im Nachhinein besehen, wohl auch war. Damals aber erschien sie mir als ältere Frau, erfahren und selbstsicher. Ich dagegen war noch nicht einmal sechzehn.
    »Einmal«, begann sie, als ich meine Laute beiseite legte, »vor zwei Jahren, wollte ein junger E’lir mich bei der Polizei anzeigen, statt seine Schulden bei mir zu begleichen.«
    Ich sah sie an. »Und?«
    »Nichts und.« Sie zuckte die Achseln. »Die Polizei kam, stellte mir Fragen, durchsuchte alles und fand natürlich nichts Belastendes.«
    »Natürlich nicht.«
    »Am nächsten Tag gestand der junge E’lir auf der Wache die Wahrheit. Er hatte sich die ganze Geschichte nur ausgedacht, weil ichmich seinen Avancen widersetzt hatte.« Sie grinste. »Die Polizei fand das nicht lustig, und der junge Mann wurde wegen Verleumdung zu einer Geldstrafe verurteilt.«
    Ich konnte mir ein Lächeln nicht verkneifen. »Das wundert mich irgendwie nicht.« Dann fiel mir etwas auf, und ich zeigte auf das Bücherregal. »Ist das Malcafs Die Grundlagen der Materie ?«
    »Oh ja«, sagte sie stolz. »Das habe ich neu. Eine Anzahlung. Schau’s dir nur an.«
    Ich ging hinüber und zog das Buch aus dem Regal. »Wenn ich das vorher hätte lesen können, hätte ich mich heute bei einer Prüfungsfrage nicht so blamiert.«
    »Aber ihr habt doch in eurer Bibliothek alle Bücher, die es überhaupt nur gibt«, erwiderte sie voller Neid.
    Ich schüttelte den Kopf. »Da habe ich leider Hausverbot«, sagte ich. »Ich habe in meinem ganzen Studium nur etwa zwei Stunden in der Bibliothek verbracht, und dann wurde ich rausgeschmissen.«
    Devi nickte. »Davon habe ich gehört. Man weiß ja nie, welche Gerüchte man glauben soll und welche nicht. Dann sitzen wir also gewissermaßen in einem Boot.«
    »Na ja, du bist schon besser dran«, sagte ich und ließ den Blick über die Bücher

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