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Der Name Des Windes

Der Name Des Windes

Titel: Der Name Des Windes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patrick Rothfuss
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wurde. »Hört mich an«, fuhr er mit ruhiger Stimme fort. »Ich habe äußerste Vorsicht walten lassen. Außer Skarpi weiß niemand, dass ich hier bin. Ich habe mit niemandem über Euch gesprochen. Ich hatte gar nicht damit gerechnet, Euch zu finden.«
    »Jetzt stellt Euch mal vor, wie erleichtert ich bin, das zu hören«, sagte Kote sarkastisch.
    Offenkundig entmutigt, fuhr der Chronist fort: »Ich gestehe gern, dass mein Kommen womöglich ein Fehler war.« Er hielt inne und gab Kote Gelegenheit zu widersprechen. Kote widersprach ihm aber nicht. Der Chronist seufzte leise und fuhr fort: »Aber was geschehen ist, ist geschehen. Käme es Euch denn wirklich gar nicht in den Sinn …«
    Kote schüttelte den Kopf. »Das ist alles lange her –«
    »Nicht einmal zwei Jahre«, widersprach der Chronist.
    »– und ich bin nicht mehr der, der ich einmal war«, fuhr Kote fort, ohne sich unterbrechen zu lassen.
    »Nämlich?«
    »Kvothe«, sagte er einfach nur und ließ sich keine weiteren Erklärungen entlocken. »Jetzt bin ich Kote. Ich bin der Wirt dieses Hauses. Und das bedeutet: Ein Bier kostet drei Scherflein, und ein Einzelzimmer Kupfer.« Er begann, mit großer Heftigkeit den Tresen zu polieren. »Wie Ihr schon sagtet – ›was geschehen ist, ist geschehen‹. Um die Geschichten sollen sich andere kümmern.«
    »Aber –«
    Kote hob den Blick, und einen Moment lang sah der Chronist an dem Zorn vorbei, der aus Kotes Augen funkelte. Einen Moment lang sah er den Schmerz dahinter, wie eine blutige Wunde, die zu tief war, um zu heilen. Dann wandte Kote den Blick ab, und es blieb nur der Zorn. »Was hättet Ihr mir denn anzubieten, das den Preis des Erinnerns wert wäre?«
    »Alle glauben, Ihr wäret tot.«
    »Ihr begreift es wirklich nicht, oder?« Kote schüttelte den Kopf, zwischen Belustigung und Verzweiflung hin und her gerissen. »Das ist doch der Sinn des Ganzen. Wenn man tot ist, sucht keiner mehr nach einem. Keine alten Feinde versuchen mehr, offene Rechnungenzu begleichen. Keiner kommt her und will Geschichten von einem hören«, sagte er bissig.
    Der Chronist ließ nicht locker. »Andere sagen, Ihr wäret nur ein Mythos.«
    »Ich bin ein Mythos«, sagte Kote leichthin und machte dazu eine dramatische Handbewegung. »Eine ganz besondere Art von Mythos. Ein Mythos, der sich selbst erschafft. Die besten Lügen über mich sind die, die ich selbst in die Welt gesetzt habe.«
    »Sie sagen, es hätte Euch nie gegeben«, berichtigte ihn der Chronist behutsam.
    Kote zuckte gleichgültig die Achseln, und sein Lächeln schwand kaum merklich.
    Einen schwachen Punkt witternd, fuhr der Chronist fort: »In manchen Geschichten seid Ihr nicht viel mehr als ein gemeiner, auf frischer Tat ertappter Mörder.«
    »Auch das trifft zu.« Kote wandte sich um und polierte das Büfett hinter dem Tresen. Er zuckte wieder die Achseln, diesmal jedoch nicht ganz so beiläufig wie zuvor. »Ich habe Menschen getötet – und Wesen, die mehr als Menschen waren. Und jeder einzelne von ihnen hatte es verdient.«
    Der Chronist schüttelte den Kopf. »In den Geschichten ist von einem Attentäter die Rede, nicht von einem Helden. Kvothe der Arkane und Kvothe der Königsmörder sind zwei ganz gegensätzliche Männer.«
    Kote hielt mit dem Polieren inne und wandte nun den Rücken zum Schankraum. Er nickte einmal, ohne den Blick zu heben.
    »Manche behaupten gar, es gäbe einen neuen Chandrian. Einen neuen Schrecken der Nacht. Und sein Haar sei rot wie das Blut, das er vergießt.«
    »Die Leute, auf die es ankommt, kennen den Unterschied«, sagte Kote, wie um sich selbst zu überzeugen, aber seine Stimme klang müde und mutlos.
    Der Chronist lachte leise auf. »Ja, das stimmt. Noch. Aber gerade Ihr solltet Euch doch im Klaren sein, wie schmal der Grat ist, der die Wahrheit von einer überzeugenden Lüge trennt. Die historische Wahrheit von einer unterhaltsamen Geschichte.« Der Chronist ließseine Worte einen Moment lang wirken. »Ihr wisst doch, was davon letztendlich Bestand haben wird.«
    Kote stand unbeweglich, das Gesicht zur Wand, die Hände auf das Büfett gestützt. Den Kopf hatte er leicht gesenkt, als ob ein großes Gewicht auf seinen Schultern laste. Er sagte nichts.
    Der Chronist trat siegessicher einen Schritt vor. »Manche sagen, es gab da eine Frau –«
    »Was wissen die denn schon?« Kotes Stimme schnitt wie eine Säge durch Knochen. »Was wissen die denn schon darüber, was wirklich geschehen ist?« Er sprach so leise, dass der

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