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Der Name Des Windes

Der Name Des Windes

Titel: Der Name Des Windes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patrick Rothfuss
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Nadeln, schönen Dank auch. Guter, ehrlicher Knochen. Nicht deine fiesen gezackten Eisenteile.« Er erschauderte. »Bei Strom und Stein, es ist beängstigend, wie primitiv ihr seid.« Bast eilte aus dem Zimmer und ließ die Tür offen stehen.
    Kote schälte sich langsam aus dem Hemd. Das getrocknete Blut zerrte an den Wunden, und er verzog das Gesicht und sog Luft durch zusammengebissene Zähne. Als Bast mit einer Schale Wasser zurückkehrte, setzte er wieder eine stoische Miene auf.
    Bast begann ihn zu reinigen, und als das getrocknete Blut abgewaschen war, kam eine ganze Reihe langer, gerader Schnittwunden zum Vorschein. Sie klafften rot in Kotes heller Haut und sahen aus, als stammten sie von einem Rasiermesser oder einer Glasscherbe. Es waren insgesamt gut ein Dutzend, die meisten oben auf den Schultern, ein paar auch auf dem Rücken und an den Armen. Eine begann oben auf der Kopfhaut und verlief bis hinter ein Ohr.
    »Und ich dachte, du blutest nicht, Reshi«, sagte Bast. »Man nennt dich doch den Blutlosen.«
    »Du solltest nicht alle Geschichten glauben, die du hörst, Bast. Das ist doch alles gelogen.«
    »Nun ja, du bist längst nicht so schwer verletzt, wie ich dachte«, sagte Bast und wischte sich die Hände ab. »Auch wenn du um ein Haar ein Stück Ohr verloren hättest. Waren sie verwundet, so wie die, die Carter angegriffen hat?«
    »Nicht dass ich wüsste«, sagte Kote.
    »Wie viele waren es?«
    »Fünf.«
    »Fünf?«, erwiderte Bast entgeistert. »Und wie viele hat der andere Kerl getötet?«
    »Er hat eine davon eine Zeitlang abgelenkt«, sagte Kote großzügig.
    » Anpauen , Reshi«, sagte Bast kopfschüttelnd und fädelte dann etwas Dünneres und Feineres als Katgut in eine Knochennadel. »Eigentlich müsstest du tot sein. Eigentlich hättest du gleich zweimal dran glauben müssen.«
    Kote zuckte die Achseln. »Das passiert mir nicht zum ersten Mal, Bast. Dem Tod von der Schippe zu springen ist offenbar eine Spezialität von mir.«
    Bast beugte sich über seine Arbeit. »Das wird jetzt ein wenig wehtun«, sagte er und griff vorsichtig zu. »Ehrlich, Reshi, ich verstehe nicht, wie es dir gelungen ist, so lange am Leben zu bleiben.«
    Kote zuckte erneut die Achseln und schloss die Augen. »Ich verstehe es auch nicht, Bast«, sagte er mit müder Stimme.

    Stunden später öffnete sich Kotes Zimmertür einen Spalt breit, und Bast spähte hinein. Als er weiter nichts als langsames, gleichmäßiges Atmen hörte, ging er leise zum Bett und beugte sich über den schlafenden Mann. Er betrachtete die Farbe seiner Wangen, roch an seinem Atem und berührte vorsichtig seine Stirn, sein Handgelenk und seine Halsbeuge.
    Dann stellte sich Bast einen Stuhl ans Bett und setzte sich, beobachtete seinen Meister und lauschte seinem Atem. Er strich ihm die widerspenstigen roten Haare aus dem Gesicht, wie eine Mutter bei einem schlafenden Kind. Dann begann er leise zu singen:
    Der Menschen Flamme brennt erst munter,
    Dann verglimmt sie Tag um Tag.
    Ihre Seelen sind nur Zunder,
    Und der Wind spielt, wie er mag.
    Wär doch mein Feuer dir zu eigen!
    Was mag dein Flackern wohl bezeigen?
    Dann saß er noch lange reglos da und sah zu, wie die Brust seines Meisters sich im Schlaf hob und senkte.

Kapitel 6
    Der Preis des Erinnerns

    E rst am frühen Abend des nächsten Tages kam der Chronist die Treppe herab in den Schankraum. Er war blass im Gesicht und wackelig auf den Beinen und trug seine Ledermappe unterm Arm.
    Kote saß hinter dem Tresen und blätterte in einem Buch. »Ah, unser unfreiwilliger Gast. Wie geht’s dem werten Haupte?«
    Der Chronist legte sich eine Hand an den Hinterkopf. »Es tut noch ein bisschen weh, wenn ich mich zu hastig bewege. Aber es funktioniert noch.«
    »Freut mich zu hören«, sagte Kote.
    »Ist das …« Der Chronist zögerte und sah sich um. »Sind wir hier in Newarre?«
    Kote nickte. »Ihr seid hier sogar im Zentrum von Newarre.« Er machte eine weit ausgreifende, dramatische Handbewegung. »Eine blühende Metropole! Dutzende Einwohner!«
    Der Chronist starrte den rothaarigen Mann hinter dem Tresen an und hielt sich dabei an einem Tisch fest. »Beim verkohlten Leibe Gottes«, sagte er, und ihm stockte der Atem. »Ihr seid es tatsächlich. Nicht wahr?«
    Der Wirt blickte verdutzt. »Wie bitte?«
    »Ich weiß, Ihr werdet es abstreiten«, sagte der Chronist. »Aber was ich vergangene Nacht gesehen habe …«
    Der Wirt hob eine Hand und brachte ihn damit zum Schweigen. »Ehe wir darüber

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