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Der Name Des Windes

Der Name Des Windes

Titel: Der Name Des Windes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patrick Rothfuss
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Eindruck erwecken, dass ich völlig übergeschnappt sei.
    Und so fuhren wir schweigend dahin. Es war schön, ihr einfach nur nah zu sein. Man sollte meinen, dass ein Mädchen mit einem Bluterguss im Gesicht nicht schön sein kann, aber Denna war es. Sie war so schön wie der Mond: vielleicht nicht makellos, aber vollkommen.
    Da riss mich der Bauer aus meinen Gedanken. »Hier ist der Borrorill.«
    Ich hatte angenommen, dass der Name einen Bach bezeichnete. Doch als ich mich umsah, konnte ich kein Gewässer entdecken. Das war schade, denn ich hätte gern etwas getrunken und mich notdürftig gewaschen. Nach dem stundenlangen Ritt war ich verschwitzt und roch nach Pferd.
    Wir dankten dem Bauer und stiegen ab. Dann führte mich Denna auf einem gewundenen Pfad den Hügel hinauf, zwischen Bäumenund hin und wieder dunklen Felsen hindurch. Sie ging schon sicherer als vorher noch, als wir das Wirtshaus verlassen hatten, behielt aber beim Gehen den Weg fest im Blick und setzte ihre Schritte mit Bedacht, so als traue sie ihrem Gleichgewichtssinn noch nicht ganz.
    Plötzlich fiel mir etwas ein. »Ich habe deinen Brief bekommen«, sagte ich und zog das zusammengefaltete Blatt aus einer Umhangtasche. »Wann hast du ihn denn hinterlegt?«
    »Das ist schon fast zwei Spannen her.«
    Ich verzog das Gesicht. »Ich habe ihn erst heute Nacht entdeckt.«
    Sie nickte. »Das habe ich fast befürchtet, als du nicht gekommen bist. Ich dachte, er wäre vielleicht rausgerutscht oder feucht geworden, so dass er nicht mehr lesbar war.«
    »In letzter Zeit bin ich nicht mehr durch das Fenster gestiegen«, erklärte ich.
    Denna zuckte die Achseln. »Es war auch wirklich dumm von mir anzunehmen, dass du das immer machst.«
    Ich überlegte, wie ich ihr die Szene erklären sollte, die sie möglicherweise mitangesehen hatte, als Fela mir im Eolian den Umhang geschenkt hatte. Mir wollte aber nichts einfallen. So sagte ich: »Es tut mir leid, dass ich nicht zu unserer Verabredung zum Mittagessen gekommen bin.«
    Denna hob belustigt den Blick. »Deoch erzählte mir, du seist in einen Brand hineingeraten oder so. Er sagte, du hättest absolut erbärmlich ausgesehen.«
    »Ja, es ging mir wirklich erbärmlich«, sagte ich. »Aber das lag weniger an dem Brand und mehr daran, dass ich dich verpasst habe …«
    Sie verdrehte die Augen. »Ja, du warst bestimmt völlig verzweifelt«, sagte sie sarkastisch. »Aber du hast mir damit gewissermaßen auch einen Gefallen getan. Denn als ich dort saß … so ganz allein … und mich vor Sehnsucht nach dir verzehrte …«
    »Ich sage doch, es tut mir leid.«
    »… hat sich mir ein älterer Edelmann vorgestellt. Wir haben uns unterhalten und haben uns ein wenig kennengelernt …« Sie zuckte die Achseln und sah mich beinahe verschämt von der Seite an. »Seitdem haben wir uns öfter wiedergesehen. Und wenn es weiter so gut läuft, wird er wohl noch vor Jahresende mein Mäzen sein.«
    »Tatsächlich?«, sagte ich und empfand eine große Erleichterung. »Das ist ja wunderbar! Und hochverdient! Wer ist er denn?«
    Sie schüttelte den Kopf, und ihr langes dunkles Haar verhüllte einen Moment lang ihr Gesicht. »Das darf ich nicht sagen. Er legt sehr großen Wert auf seine Privatsphäre. Über eine Spanne wollte er mir seinen wahren Namen nicht verraten. Und selbst jetzt, da er ihn mir genannt hat, weiß ich nicht, ob er wirklich so heißt.«
    »Wenn du nicht weißt, wer er wirklich ist – woher weißt du dann, dass er ein Edelmann ist?«
    Das war eine dumme Frage. Die Antwort kannten wir beide, aber sie sprach sie dennoch aus: »Geld, Kleider, Umgangsformen.« Sie zuckte die Achseln. »Und selbst wenn er nur ein reicher Kaufmann wäre, würde er einen guten Mäzen abgeben.«
    »Aber keinen sehr guten. Kaufmannsfamilien kommen und gehen …«
    »… und die Namen haben nicht das gleiche Gewicht«, schloss Denna mit einem vielsagenden Achselzucken. »Aber lieber den Spatz in der Hand als die Taube auf dem Dach. Und ich bin es leid, nicht einmal einen Spatz zu haben.« Sie seufzte. »Es war harte Arbeit, ihn an Land zu ziehen. Er ist so übervorsichtig … Wir treffen uns nie zweimal am selben Ort und nie in der Öffentlichkeit. Manchmal verabredet er sich mit mir und kommt dann gar nicht. Nicht dass das für mich etwas Neues wäre …«
    Denna schwankte, als ein Stein unter ihrem Fuß wegrutschte. Ich streckte die Hände nach ihr aus, und sie hielt sich an meinem Arm und meiner Schulter fest. Einen Moment lang

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