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Der Name Des Windes

Der Name Des Windes

Titel: Der Name Des Windes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patrick Rothfuss
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einmal in die Magengrube, und ich erbrach mich auf das Kopfsteinpflaster.
    »He, ihr da! Aufhören! Stadtwache!«, rief eine neue Stimme. Einen Moment lang Stille, gefolgt von Fußgetrappel. Schwere Stiefel stampften vorüber und verschwanden in der Ferne.
    Ich erinnere mich noch an den Schmerz in meiner Brust. Dann verlor ich das Bewusstsein.

    Aus der Ohnmacht rüttelte mich jemand, der mir die Hosentaschen umdrehte. Ich versuchte, die Augen aufzuschlagen, aber es gelang mir nicht.
    Ich hörte eine Stimme murmeln: »Ist das alles, was ich dafür kriege, dass ich dir das Leben gerettet habe? Kupfer und ein paar Scherflein? Saufgeld für einen Abend? Nichtsnutziger kleiner Penner.« Er hustete kehlig, und Schnapsgestank umfing mich. »So zuschreien. Wenn du dich nicht wie ein Mädchen angehört hättest, wäre ich gar nicht so weit gelaufen.«
    Ich versuchte etwas zu sagen, brachte aber nur ein Stöhnen zustande.
    »Na ja, wenigstens bist du noch am Leben. Das ist doch auch was.« Ich hörte ein Ächzen, als er sich erhob, und dann verklangen die Schritte seiner schweren Stiefel allmählich in der Ferne.
    Nach einer Weile stellte ich fest, dass ich die Augen wieder aufbekam. Ich sah aber nur verschwommen, und meine Nase fühlte sich größer an als der ganze Rest meines Kopfes. Ich betastete sie vorsichtig. Sie war gebrochen. Ich rief mir ins Gedächtnis, was Ben mir beigebracht hatte, legte mir beiderseits eine Hand an die Nase und richtete sie mit einem Ruck. Ich bis die Zähne zusammen, um nicht vor Schmerz zu schreien, und mir kamen die Tränen.
    Ich blinzelte sie fort und war erleichtert, als ich die Gasse nun klarer sah als zuvor. Der Inhalt meines Beutels lag neben mir auf dem Boden: ein kleines Bündel Schnur, ein kleines, stumpfes Taschenmesser, Rhetorik und Logik und der Rest von dem Stück Brot, das mir der Bauer gegeben hatte. Das schien eine Ewigkeit her zu sein.
    Der Bauer. Ich dachte an Seth und Jake. Weiches Brot und süße Butter. Die Lieder, die sie während der Fahrt auf dem Wagen sangen. Ihr Angebot, mir Zuflucht zu gewähren, eine neue Heimat …
    Auf diese plötzliche Erinnerung folgte ein Gefühl der Panik. Ich sah mich auf der Gasse um, und von der schnellen Bewegung tat mir der Kopf weh. Den Abfall mit bloßen Händen durchsuchend, fand ich einige mir schrecklich vertraute Holzsplitter. Ich starrte sie sprachlos an, und rings um mich her wurde es ein klein wenig dunkler. Ich blickte zu dem schmalen Himmelsstreifen empor und sah, dass schon die Abenddämmerung hereinbrach.
    Wie spät war es? Ich raffte meine Habe zusammen, wobei ich mit Bens Buch vorsichtiger umging als mit dem Rest, und humpelte in eine Richtung los, von der ich hoffte, dass sie zum Marktplatz führte.

    Es war längst schon dunkel, als ich den Platz endlich fand. Einige wenige Wagen fuhren langsam zwischen den letzten Kunden hindurch. Ich humpelte so schnell ich konnte quer über den Platz und hielt hektisch Ausschau nach dem alten Bauern, der mich mitgenommen hatte.
    Als ich schließlich den Buchladen fand, vor dem er gehalten hatte, schwankte und keuchte ich. Von Seth und seinem Wagen keine Spur. Ich sank nieder an dem Platz, an dem ihr Gespann gestanden hatte, und spürte nun mit einem Mal die Schmerzen von einem Dutzend Verletzungen, die ich bis dahin unterdrückt hatte.
    Ich betastete sie, eine nach der anderen. Etliche Rippen taten mir weh, aber ich konnte nicht feststellen, ob sie gebrochen waren. Wenn ich den Kopf zu schnell bewegte, packte mich Schwindel und Übelkeit. Wohl eine Gehirnerschütterung. Meine Nase war gebrochen, und ich hatte mehr Prellungen und Kratzer als ich zählen konnte. Und – ich hatte Hunger.
    Da Letzteres das einzige war, wogegen ich etwas tun konnte, nahm ich das aufgesparte Stück Brot aus meinem Beutel und aß es. Es reichte nicht, war aber besser als nichts. Ich trank aus einer Pferdetränke und war so durstig, dass es mir nichts ausmachte, wie ekelhaft das Wasser schmeckte.
    Ich überlegte, ob ich die Stadt verlassen sollte, aber in meiner gegenwärtigen Verfassung hätte ich dazu stundenlang gebraucht. Und außerdem erwarteten mich am Stadtrand weiter nichts als abgeerntete Äcker. Kein Baum, der mich vor dem Wind geschützt hätte. Kein Wald, in dem ich ein Feuer hätte machen können. Keine Kaninchen, denen ich Schlingen hätte auslegen können. Keine Wurzeln, nach denen ich hätte graben können. Kein Heidekraut als Bettersatz.
    Ich war so hungrig, dass sich mir der Magen

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