Der Narr und der Tod
und machten uns auf den Heimweg. Zwischendurch mussten wir allerdings noch an der Tankstelle halten, weil Martins Wagen nur noch wenig Benzin hatte und er ungern morgens auf dem Weg zur Arbeit tankte.
Da hinter uns beiden ein langer, anstrengender Tag lag und wir beim Essen Ellens Wein zugesprochen hatten, verlief die Fahrt nach Hause schweigsam. Zumindest ich fühlte mich schläfrig und war, obwohl mir der seltsame Besuch von Regina mit ihrem unerwarteten Baby immer noch zu denken gab, gern bereit, Grübeleien auf den nächsten Morgen zu verschieben. Wie ich aber Martins Stirnrunzeln entnahm, grübelte er wieder.
Aber mit dem Einbiegen in unsere lange Auffahrt verabschiedete sich mit einem Schlag meine angenehme Schläfrigkeit.
Viel konnte ich in der Dunkelheit nicht erkennen, aber es war offensichtlich, dass der Wagen vor der Garage nicht der Reginas, sondern ein fremder war. Ihrer dagegen fehlte.
Hinten am Haus schaltete sich der Bewegungsmelder an, und im hellen Licht sahen wir, dass jemand Darius’ Pick-up samt Anhänger entfernt hatte. Hoffentlich eins seiner Kinder.
Den Bewegungsmelder vorn am Haus hatten wir auf Handbedienung umgestellt, um nicht ständig Licht im Schlafzimmer zu haben, wenn draußen irgendein Tier herumschlich. Allerdings hatten wir vergessen, diese Lampe einzuschalten, ehe wir zum Essen bei den Lowrys aufbrachen. Die Lampe hinten war zwar hell genug, um auch die Vorderseite des Grundstücks teilweise auszuleuchten, aber das Licht schien hier nur noch schwach und erzeugte unzählige Schatten.
Also war es vor Haus und Garage relativ dunkel. Trotzdem sahen wir noch genug, und was wir erspähten, war beunruhigend. Nicht nur das fremde Auto und das Fehlen von Reginas Wagen; auf der Treppe zum Garagenapartment lag etwas.
Noch beunruhigender allerdings waren die unterschiedlich großen Flecken an der weißen Garagenverkleidung.
„Martin!“, sagte ich scharf, als hätte er dies nicht selbst schon bemerkt und ich müsste meinen Mann erst noch auf diese Absonderlichkeiten hinweisen. Wir sahen einander an, während Martin den Motor des Mercedes ausschaltete.
„Bleib hier!“, befahl er streng und öffnete seine Wagentür.
„Nein“, sagte ich und öffnete meine ebenfalls. Die Katze kauerte in den Azaleen und starrte auf das Ding auf der Treppe. Von uns schien sie keine Notiz nehmen zu wollen, sondern verharrte wie gebannt und völlig angespannt an ihrem Platz. Aus irgendeinem Grund bescherte mir ihr Anblick eine Gänsehaut, und ich war plötzlich fest davon überzeugt, dass hier etwas Schlimmes, etwas sehr Schlimmes vorgefallen war.
Es war nicht nur schlimm, es war einfach grauenhaft.
Bei den dunklen Flecken an der Garagenwand handelte es sich um Blutspritzer. Einer der Flecken fing an zu tropfen, als ich ihn anstarrte. Das Blut war noch nicht ganz trocken.
Es war aus dem schlaffen, langen Ding hochgeschossen, das auf der Treppe lag: einem Mann.
In seiner Stirn steckte noch immer das Beil, das ihm den Schädel gespalten hatte. Blut tränkte das dunkle Haar. Sofort dachte ich an Regina und das Baby, und wenn sich das Herz eines Menschen im Körper verschieben könnte, dann wäre mir meins jetzt auf der Stelle tief in die Magengrube gerutscht. Bei dem Toten, so befürchtete ich, handelte es sich um Craig, Reginas Ehemann.
Martin sah hoch zur Wohnung, wo zwischen Tür und Rahmen ein schwarzer Streifen sichtbar war – die Tür stand einen Spalt offen.
Diese Erkenntnis reichte, um mich wie von der Tarantel gestochen an die Seite meines Mannes eilen zu lassen. Im schwachen Licht der rückwärtigen Leuchte wirkte er alt und krank, sämtliche Falten, die sich im Laufe der Jahre in sein Gesicht eingegraben hatten, wurden durch die Schatten vertieft. Da ich Martin kannte, wusste ich auch, dass er dachte, er müsste jetzt diese Treppe hochklettern und nachsehen, was oben in der Wohnung los war. Aber er hatte Angst vor dem, was ihn dort oben vielleicht erwartete. Regina und das Baby waren seine Familie.
Leichter Regen setzte ein.
Wortlos legte ich Martin die Hand auf die Schulter und drückte sie leicht, ehe ich mich an dem toten Ding auf der Treppe vorbeizwängte. Den Rücken fest ans Geländer gedrückt schlich ich die Stufen hinauf, sorgsam bemüht, nicht zu genau hinzusehen. Sobald ich an der Leiche vorbei war, ging ich schneller, nur schienen meine Beine vor lauter Widerwillen und Angst schwer geworden zu sein und sie zitterten. Der Weg nach oben kam mir unendlich lang vor, fast eine
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