Der Narr und der Tod
zu viele Faktoren im Spiel.“
„Alles in allem sind es fürchterliche Umstände“, versicherte Margaret. Sie schien nicht wiederholen zu wollen, was wir unter vier Augen besprochen hatten. Ich fand diese Entscheidung klug. Sobald die Granberrys weg waren, wollte ich versuchen, Martin davon zu berichten.
Luke hörte als Erster ein weiteres Auto die Auffahrt herauffahren.
„Erwarten Sie jemanden?“, fragte er.
„Nein.“ Martin trat ans Fenster. „Ein blauer Dodge-Pick-up.“
Zu meiner großen Verwunderung bestand diese neue Besuchergruppe aus dem riesigen Dennis Stinson, Cindy Bartell und unserem ehemaligen Reisekumpan Rory.
Noch vor kurzem war mir dieses Haus sehr isoliert vorgekommen, jetzt fühlte es sich hier immer mehr an wie in einem Gemeindezentrum. Wir hätten Parkgebühren und Geld für die Heißgetränke kassieren sollen. Ich ging in die Küche, um Wasser aufsetzen, fand in einer von Martins Einkaufstüten eine Packung Kekse und arrangierte den Inhalt auf einer Platte.
„Der Laden ist Samstagnachmittag geschlossen, da dachten wir, wir kommen mal raus, euch besuchen.“ Dennis sah in seinen diversen Lagen Winterkleidung womöglich noch größer aus als sonst, während Cindy mit ihrem Bubikopf und dem schmalen Gesicht neben ihm wie eine Elfe des Weihnachtsmanns wirkte. Ein Eindruck, den ihr grün-roter Pullover noch unterstrich. Rorys Lächeln fehlte, er wirkte mürrisch und verstockt, und von der üblichen liebenswerten Dämlichkeit war keine Spur mehr zu entdecken. Wortlos schnappte er sich einen Keks, um ihn mit einem Bissen zu verschlingen.
Da sich alle anderen Anwesenden angeregt miteinander unterhielten und ich ein bisschen Zeit hatte, rückte ich näher an den jungen Mann heran.
„Wie kommt es, dass Sie hier sind?“, fragte ich.
„Dieser Stinson hat mich einfach geschnappt“, sagte Rory und funkelte mich erbost von oben herab an. Er wischte sich mit der Zunge letzte Krümel von den Zähnen und brachte seine charmante Seite wieder zum Vorschein. „Eigentlich müsste ich die Polizei rufen“, sagte er, ganz der ungezogene Bengel, dem keiner widerstehen konnte. „Da bummle ich friedlich durch die Stadt, tu niemandem was Böses, kümmere mich um meinen Kram, und kaum bin ich bei der Tür von ‚Cindys Blumen‘, da geht die auf und dieser Typ stürzt raus. Packt mich, sagt, Ihr Mann sucht nach mir, und meint, ich müsste sofort mit hierherkommen. Dann kommt noch Mrs. Bartell und sagt dasselbe. Nur weil sie es ist, bin ich, ohne Ärger zu machen, mitgekommen.“
„Danke. Wir müssen einfach noch mehr darüber herausfinden, was mit Craig passiert ist und aus welchem Grund.“
„Ich habe Ihnen gesagt, was ich weiß!“
„Das zu glauben fällt schwer“, wandte ich ein, erstaunt, wie direkt ich sein konnte. „Sie haben hier zusammen mit Craig und Regina gewohnt, nicht wahr? Die Sachen in dem einen Schlafzimmer oben gehören Ihnen, oder?“
Rory warf mir einen hastigen, sehr wachen und sehr harten Blick zu. „Was wir hier gemacht haben, geht Sie nichts an“, blaffte er, womit er in gewisser Weise auch recht hatte.
„Wagen Sie es nicht, so mit meiner Frau zu reden“, sagte Martin kalt. Er war wie immer kaum hörbar an meiner Seite aufgetaucht. „Wir interessieren uns nicht für Ihr Liebesleben. Wir wollen nur herausfinden, wo Regina steckt und wessen Kind Hayden ist.“
„Wessen Kind Hayden ist?“ Rory fixierte eindringlich seine Füße. Er schien nicht zu kapieren, was Martin meinte, und das konnte meiner Meinung nach zweierlei bedeuten. „Na ja“, sagte er schließlich, „solange das Kind hier ist, könnte es so gut wie jeder für sich beanspruchen, oder? Jeder könnte etwas über das Kind sagen, und niemand könnte widersprechen, oder? Weil niemand etwas weiß. Außer mir.“
Mit dem letzten Satz brachte er alle anderen Unterhaltungen im Zimmer zum Schweigen. Stumm starrten wir ihn an, alle Aufmerksamkeit ruhte auf ihm.
Karl Bagosians Eintreten über die Küchenveranda und durch die Hintertür brach das Schweigen. „Wo kommen Sie denn her, Karl?“, entfuhr es mir bei diesem überraschenden Anblick unwillkürlich, aber ich hatte mich sofort wieder gefangen und schüttelte den Kopf. „Entschuldigen Sie!“ Wie hatte ich nur so ungehobelt sein können? „Wie schön, Sie so bald wiederzusehen. Darf ich Ihnen einen Kaffee anbieten? Oder einen Kakao?“ Am Rande registrierte ich, dass Karl nicht mehr die Kleidung eines wohlhabenden Autohändlers aus dem Mittleren
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