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Der Narr

Der Narr

Titel: Der Narr Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Papp
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Ein hochkarätiger, amerikanischer Trommelrevolver, eine formvollendete Schönheit aus verchromtem Stahl.
    Business-Ratgeber rieten dazu, Erfolge so zu beschreiben, als wäre das Ziel bereits eingetreten. Auch wissenschaftliche Untersuchungen bestätigten, dass Unternehmen mit klaren Zielvorgaben höhere Gewinne schrieben. Für Heisenstein war es somit das Natürlichste der Welt: Ein Mann brauchte Imaginationskraft, um etwas zu erreichen. Für ihn war es zu wenig, sich das nur vorzustellen.
    Seine Augen glitten den Lauf hinab. Er stellte sich vor, wie die Stahlmantelgeschosse in Zeitlupe den Mörder seiner Tochter trafen. Wie sie sich den Kniescheiben näherten und wie sie dann mit voller Wucht einschlugen. Er stellte sich den lauten Knall vor, die Schreie und das Flehen seines Feindes, aufzuhören. Er sah vor sich, wie sich das Gesicht seines Feindes vor Schmerz zu einer Grimasse verzerrte, die Panik in seinen Augen. Er roch die Magensäure, die austrat, wenn eine Kugel seine Innereien zerfetzte und wie sich dieser Gestank mit Pulvergeruch vermischen würde. Er ließ seine Vorstellung immer schneller und schneller, heller und lauter werden. All das, was sein würde, wenn Joe sechs Mal den Abzug drückte und schließlich der Kopf seines Feindes zerplatzte, wenn der letzte Schuss abgefeuert worden war.
    Dr. Heisenstein versicherte sich, dass sein Wertkartenhandy, das er normalerweise dazu verwendete, um Damen anzurufen, von denen die Presse nichts wissen sollte, auch aufgeladen war. Alles war vorbereitet, die Jagd konnte beginnen.

    *

    Wie schnell sich der Spieß drehen konnte. Remmel blickte seinem bevorstehenden Ende entgegen. In Anbetracht dieser raschen, seltsamen Wendung seines Lebens blieb es ihm nicht aus, im Angesicht des vermeintlich sicheren Todes schmunzeln zu müssen. Denn abgesehen von all den Idioten, über die er sich hatte ärgern müssen, war sein Leben sehr schön gewesen und hatte ihn sehr gefreut. Also macht’s gut, und danke für die Schnitzel.
    Warum musste er immer den Mund so weit aufreißen? Die goldenen Worte des alten Hawlicek, seines Mentors, kamen ihm wieder in den Sinn: ›Wennst ned an dem krepierst, was in deinen Mund rein geht, Remmel, krepierst an dem, was davon rausgeht.‹ Natürlich war es wieder mal seine verdammte Neugier gewesen – er musste ja seine Nase überall reinstecken, aber vielleicht waren es ja seine Worte, die dem Schicksalsgott einen Wink gegeben haben, einem Wiener Beamten schon allein wegen des negativen Kollektivkarmas seines Berufstandes etwas auszuwischen.
    Das Monster richtete sich allmählich auf.
    Zwei Tage war es erst her gewesen. Die Dezernatsleitung investierte Unsummen, um unproduktive Beamte zu bezahlen, doch für eine Klimaanlage wollte niemand auch nur einen Schilling locker machen. Man beschloss den Umstand, dass die Amtsleitung nicht bereit war, ein angenehmes Raumklima zu schaffen, durch geringere Leistungen zu boykottieren. Die schweißgebadeten Beamten warteten nur mehr darauf, dass die Chefs die mangelnden Resultate ansprachen.
    Seit zwei Jahren befanden sich die Chefetage und Remmels Kollegen in einer Pattstellung. Niemanden von der Amtsleitung war das Leistungstief im Sommer aufgefallen. Es wurde sogar in der Belegschaft bereits diskutiert, ob man sich vielleicht im Winter ein wenig mehr bemühen sollte, um den Negativtrend zur warmen Jahreszeit etwas zu verdeutlichen. Doch alles war sehr kompliziert.
    Langsam schien das Monster Interesse an Remmel zu finden und sah den Chefinspektor neugierig an.
    Und so vertrieben sich am ersten Tag im April, an dem das Wetter verrückt spielte und sommerliche Temperaturen brachte, viele Staatsbedienstete die Zeit in der Kantine, dem kühlsten Raum des gesamten Gebäudes. Man legte sich gemächlich eine Zeitung vor sich hin, plauderte mit den Kollegen übers Essen und schlürfte Kaffee. Wenn das Handy schepperte, versicherte man sich lediglich, dass es kein privater Anruf war, bevor man es auf lautlos stellte.
    ›Monsterbär terrorisiert Bevölkerung – Wieder ein Schaf gerissen‹, oder: ›Wann reißt Brutalobär Menschen?‹. Andere Boulevardzeitungen hatten sich auch solidarisch mit den Braunbären erklärt, der über Slowenien nach Österreich migriert war: ›Sinnlose Hetzjagd auf Meister Petz!‹
    Das Monster näherte sich und beäugte den Beamten weiter neugierig.
    Remmel erinnerte sich zurück. Die Situation eskalierte erst, als das geistlose Gerede losging. Redefreiheit ging für Remmel in

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