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Der Narr

Der Narr

Titel: Der Narr Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Papp
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wurden dabei zu Schafen, die ihren Hirten blind folgten. Der Zahn der Zeit nagt jedoch unaufhaltsam an den Kirchen und die alten Religionsstrukturen beginnen zu bröckeln. Allmählich kriechen die Menschen aus ihrer spirituellen Isolation wieder hervor. Sie entdecken etwas, was die Kirche als ›maleficio‹ verteufelt hatte: Die Magie. Die meisten, die sich berufen fühlen, Magie zu betreiben, sind jedoch Dilettanten. Statt sich dem neuen Äon zu öffnen, vermischen sie alles, was sich irgendwie alt und geheimnisvoll anhört, und stiften Chaos. Oft wird nur der eine Gott mit mehreren Göttern im selben Gewand ausgetauscht.«
    Hanni sah Remmel fragend an. Nicht nur der slawische Akzent hatte ihr Schwierigkeiten bereitet, Minsk zu folgen.
    »Der Professor meint, dass viele Esoteriker unfähig sind, mit der Magie umzugehen, die die Menschheit in der Antike noch beherrschte. Das Hauptproblem scheint zu sein, dass diese New Age-Anhänger das nicht einmal merken. Habe ich Recht?«
    »Da! Es ist, als würden sich Neandertaler in ein Auto setzen. Sie drehen am Lenkrad herum und glauben, Auto zu fahren. Sie wissen aber nicht, dass man auch den Schlüssel im Zündschloss umdrehen kann.«
    »Im Internet habe ich von Satanisten und anderen Gruppen gelesen. Zu welcher Gruppe passt dieses Ritual und wie stufen Sie deren Gewaltbereitschaft ein?«, fragte Hanni.
    Wieder seufzte Minsk. Wäre er nicht am Vortag vor einem großen Publikum aufgetreten, hätte Hanni ihn mittlerweile gefragt, wo er zum Tatzeitpunkt gewesen war. Der Professor schien manche alternativgläubige Menschen sogar noch mehr zu verachten als Remmel, der kategorisch alles Übernatürliche als Blödsinn einstufte.
    »Ein Grundsatz der Satanisten lautet, sich von allen Konventionen zu befreien, die sie im Leben nicht glücklich machen. Lucifer, der Lichtbringer, ist hierbei eine Figur, die ihnen helfen soll, aus dem eigenen Schatten zu treten. Aus mir unerklärlichen Gründen ziehen es die meisten Satanisten aber vor, zu lauter Rockmusik den Kopf zu schütteln, anstatt nach höheren Erkenntnissen zu streben. Trotzdem passt ein Liebeszauber nicht zu ihnen. Ebenso wenig wie eine griechische Göttin zu … Ach wissen Sie was? Schauen Sie am besten selbst in Diskussionsforen nach, um sich eine Meinung über diese Neuheiden zu bilden! Körperliche Gewalt passt aber zu den Wenigsten in der Szene. Suchen Sie nach Personen, die nicht in das klassisches Schema der Neuheiden passen, zum Beispiel nach Menschen mit problematischer Vergangenheit.«
    »Ein paar Tatverdächtige sind auf dem Weg zu einer Steinpyramide ins Waldviertel. Können Sie uns sagen, was es mit der Pyramide auf sich hat?«
    »Die Pyramide bei Oberneustift? Sie wurde vor etwa drei Jahrhunderten von Freimaurern errichtet, angeblich um eine Energielinie zu markieren. Ein schöner Platz, sie liegt idyllisch im Wald. Aber ich kann Ihnen versichern, mit antiken keltischen Göttern hat dieser Ort überhaupt nichts zu tun.«

    *

    Ein Ruf riss ihn hoch. Verschlafen richtete er sich auf, um zu sehen, wer sich der Pyramide näherte.
    »Reb! Ist das Wandern nun auch der Hexe Lust?«, rief jemand.
    Nach und nach tauchten junge Männer und Frauen mit langen Haaren auf. Sie waren in dunkle Umhänge gehüllt, die mit Fibeln zusammengehalten wurden. Die Männer trugen Leinenhosen, die Frauen waren ausnahmslos mit langen Röcken gekleidet. Einer hatte sich sogar, ähnlich wie Mel Gibson in dem Film ›Braveheart‹, das Gesicht blau angemalt.
    »Taranis, mein Freund!«, gab Nimue zurück und verbeugte sich lachend. »Ich habe nichts gegen Bewegung. Aber etliche Stunden in selbstgemachten Schuhen herumzulaufen, ist für mich purer Masochismus.«
    Sam zählte sieben Männer und drei Frauen im Alter zwischen 25 und 35 Jahren. Der Schönling stach hervor. Große Augen, weiche, leicht feminine Gesichtszüge, ein durchtrainierter Körper. Sein dichtes, braunes Haar reichte ihm bis zur Schulter. Arrogante Schönlinge wie er waren ein Grund für Männer wie Sam, an der Gerechtigkeit der Welt zu zweifeln.
    Die Angst lähmte Sam. Was, wenn er etwas über sich erfahren würde, was er gar nicht wissen wollte? Er ließ sich Zeit damit, den Hochstand herunterzuklettern. Er machte seinen Zechkumpan vom Vortag mit den Tätowierungen am Oberarm aus. Ceallachs rundliches, verträumtes Gesicht wurde von seinen langen, dunkelblonden Haaren umrahmt. Sein neuer Kumpel hatte Sam am Vortag erzählt, wie gerne er in die Vergangenheit reisen würde.

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