Der Narr
›Nimm das Leben wie es kommt, dann kommst du auch oft.‹ Das war ihr Standardsatz.
Doch Joe war mittlerweile zu einem der wenigen Männer für sie geworden, für die alles unter ihrer Gürtellinie zum Sperrgebiet geworden war. Sie zog es vor, ihn zu demütigen. Joe machte sich da nichts vor. Aber er wusste auch, warum sie ihn dann doch gebeten hatte, auf ihrem schmutzigen Sofa im Wohnzimmer Platz zu nehmen. Es war die Neugier, die Nellie antrieb. Sie wollte immer alles wissen und es brannte ihr unter den Fingernägeln, zu erfahren, warum Joe sie besuchte. Sie wusste noch nicht, dass genau diese Neugier ihr zum Verhängnis werden sollte.
»Will mit dir über die Klaane reden!«
Joe wäre am liebsten mit dem Kopf voran in den Türstock gerannt. Alles war perfekt geplant gewesen, doch auf einmal fehlte ihm der Mumm. Es gelang ihm nicht einmal, bei einem verhassten Menschen die Luftzufuhr abzudrehen. Wie sollte er da später in der Lage sein, fremde Menschen abzuknallen?
»Joe, da gibt’s nix zu reden. Die Klaane is für dich tabu.«
»Sie is mei Tochter!«, zischte er zurück. Joe wurde rasend bei dem Gedanken, dass Nellie Angelika noch versauen könnte. Die Pferde und das Meer! Die Kleine hatte so viele Wünsche – kein einziger würde bei dieser Schlampe in Erfüllung gehen.
Auf einmal brach Nellie in höhnisches Gelächter aus. Sie wollte gar nicht mehr damit aufhören, ihn auszulachen. Joe spürte die Wut in sich aufkommen.
»Dass du ein naiver Trottel bist, hab ich immer schon g’wusst. Aber für so dumm hätt‘ selbst ich dich nicht gehalten.«
Sie soll aufhören zu lachen! Joe spürte, wie er begann, rot zu sehen.
»Und du weißt doch, dass du nie der Einzige gewesen bist, mit dem ich damals gefickt hab. Klar hab ich dir nach der Geburt gesagt, dass du der Vater bist. Irgendjemanden brauchte ich doch. Hast du das wirklich nie hinterfragt? Ich meine … hey, so dumm kann doch gar niemand sein!«
Joe fletschte die Zähne. Dieses schrille Lachen. Die Kumpel … klar haben die was gesagt. Alles Lüge! Ein paar aufs Maul gab’s, wenn sie es anzweifelten. Angelika, sein einziger Schatz im Leben! Dieses schrille Lachen! Nein, es konnte einfach nicht sein. Sie hörte einfach nicht auf zu lachen. Monster!
Er brüllte, wie nie zuvor in seinem Leben. Doch auf einmal herrschte absolute Stille in seinem Kopf. Er spürte nichts anderes mehr, als die Entschlossenheit, sie zu vernichten. Sein Zorn hatte seinen Höhepunkt erreicht. Es gab nur noch seine Wut, Nellie, den Druck, der auf seinen Schläfen lastete und seine geballte, rechte Faust. Endlich kapierte sie, wie es um sie stand. Zu spät! Die Zeit der Rache war gekommen.
*
Nimue stieß seine Hand unsanft weg, als Sam sie berühren wollte, und begann sich anzuziehen.
Sam kannte dieses Gefühl. Ein verschwitztes Laken, die Überreste von Verhütungsmitteln, die Suche nach zuvor hastig ausgezogenen Kleidungsstücken. Auf der einen Seite der Stolz und die Selbstbestätigung: Ja, man konnte es noch. Auf der anderen Seite die Fragen. War es das Abenteuer wirklich wert gewesen? Was hatte man eigentlich versucht, sich vorzumachen? Abschiedskuss oder nicht? Telefonnummern austauschen oder nicht?
Nimue sah ihn nicht einmal an, als sie sich anzog. Als wäre ihr peinlich, was geschehen war. Sie wandte sich von ihm ab, damit er nicht noch einen letzten Blick auf die Bereiche eines Frauenkörpers gewinnen konnte, die ein Mann für gewöhnlich zuletzt zu sehen bekommt.
»Diese Art von Sex ist neu für mich«, sagte Sam, um wenigstens die peinliche Stille zu überbrücken. Er fragte sich, ob er diese Brüste noch einmal sehen würde, nachdem sie wieder hinter dem Top verschwunden waren. Ein Gefühl sagte ihm bereits, dass er nüchtern vieles anders sehen würde.
»Hat es dir gefallen?«, gab Nimue nach einer kurzen Zeit zurück. »Wenn du die rituellen Aspekte einmal beherrschst, wird sich für dich alles ändern. Beltaine ist in exakt zwei Wochen, das schaffen wir schon. Aus dir mache ich noch einen richtigen Sexualmagier!«
»Zwei Wochen? Das wäre der 30. April! Ist das Datum denn so wichtig?«
»Zur Walpurgisnacht ist die sexuelle Energie am Höchsten. Die perfekte Gelegenheit für einen Hieros Gamos.«
»Was ist das?«
»Die heilige Hochzeit zwischen Gott und Göttin. Details erkläre ich dir noch. Ich werde dich lehren, deine Energiebahnen zu öffnen, um die Einheit mit dem Gott noch intensiver zu spüren.«
Sam richtete sich auf. »Das war ein
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