Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der nasse Fisch

Der nasse Fisch

Titel: Der nasse Fisch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Volker Kutscher
Vom Netzwerk:
hielt.
    Ein schwarzes Notizbuch!
    Das musste nichts heißen, es gab viele solcher Bücher. Doch als er es aufschlug und den Namen auf der ersten Seite las, hatte
     er Gewissheit.
    Er hatte das Notizbuch des verstorbenen Kriminalassistenten Stephan Jänicke gefunden.
    Das verschwundene Notizbuch, nach dem Gennat suchte.
    Die Pistole war Rath plötzlich egal, das Buch gab dieselbe Antwort.
    Bruno Wolter war ein Mörder!
    Die entscheidende Frage beantwortete das immer noch nicht. Warum hatte er gemordet? Warum einen Kollegen getötet, der niemandem
     etwas zuleide tun konnte, einen harmlosen Jungen, der gerade von der Polizeischule gekommen war?
    Rath blätterte fieberhaft durch die dünnen Seiten. Hinten hatte das Buch keine Eintragungen, dort waren auch ein paar Seiten herausgerissen, wahrscheinlich hatte Jänicke ein paar lose
     Zettel benötigt und das Buch geplündert. Vorne fanden sich noch die Notizen zum Fall Wilczek. Sie gaben nicht viel her, nichts,
     was Jänicke nicht auch in seine Berichte geschrieben hatte. Aber das Buch war mehr als ein Notizbuch, Jänicke hatte es auch
     als Kalender benutzt. Allerdings konnte man aus den Eintragungen nicht richtig schlau werden. Uhrzeit und Datum waren noch
     als solche zu erkennen, aber ansonsten hatte Jänicke nur Abkürzungen eingetragen. Abkürzungen, die viele Interpretationen
     zuließen.
    1505/900/I an B
    Sein Todestag. Was sollten die Buchstaben bedeuten? Wollte Jänicke um neun Uhr Informationen an einen B. übergeben? An Bruno?
     Aber was für Informationen? Oder sollte es etwas ganz anderes heißen?
    Ihm blieb keine Zeit mehr, diese Gedanken noch länger durchzukauen. Er hatte ein Geräusch gehört. Das Drehen eines Schlüssels
     im Schloss, das Klirren eines Schlüsselbundes. Und dann das satte Zuschnappen der schweren Wolter’schen Haustür.
    Mist!
    Er legte den Krempel zurück in das Kästchen, das Buch steckte er ein. Instinktiv. Nichts wie raus hier!
    Er schlich zur Treppe und schaute hinunter. Ein roter Damenhut wurde an die Garderobe gehängt, und Rath erkannte den blonden
     Schopf von Emmi Wolter. Sein Kopf zuckte zurück, als sie sich umdrehte. Sie schien ihn nicht entdeckt zu haben, er hörte,
     wie sie den Mantel auf einen Bügel hängte und unten in der Wohnung verschwand.
    Rath lauschte. Er hoffte, dass sie sich in die Küche verkrümeln würde, um das Abendessen vorzubereiten, doch es blieb bei
     der Hoffnung. Er hatte sich bereits auf den Weg die Treppe hinunter gemacht, als die Wohnzimmertür aufflog und Emmi Wolter
     wieder hinaus auf die Diele trat, eine Einkaufstüte in der Hand, eine Schlagermelodie auf den Lippen. Schnell verschwand Rath
     oben im Gästezimmer. Wenn sie ihn erwischte, dann wenigstens dort!
    Leise zog er die Tür hinter sich zu und lauschte. Sie kam die Treppe hoch und ging ins Badezimmer. Vielleicht war das seine
     Chance. In Badezimmern pflegten sich Frauen erfahrungsgemäß immer etwas länger aufzuhalten. Schnell, aber ohne ein Geräusch
     zu verursachen, hatte er die Tür geöffnet, war hinausgeschlüpft und hatte sie wieder geschlossen. Im Bad hörte er immer noch
     eine Mischung aus Singen und Pfeifen.
    Er hatte die Treppe gerade erreicht, als die Badezimmertür von einem Ellbogen geöffnet wurde und Emmi Wolter sich singend
     auf den Gang schob, in der einen Hand ein halbvolles Zahnputzglas, in der anderen eine Wodkaflasche. Ihr Gesicht gefror mitten
     im Gesang. Sie starrte ihn an.
    »Oh«, entfuhr es ihr.
    Rath sagte gar nichts. Er überlegte, was er ihr erzählen sollte. Derweil versteckte er seine Hände hinter dem Rücken und streifte
     die Handschuhe unauffällig ab.
    »Das ist aber eine Überraschung, Herr Rath«, sagte sie. Ihre Stimme zitterte leicht. »So früh schon Feierabend!«
    Erst jetzt merkte er, dass sie es war, die sich ertappt fühlte.
    Emmi Wolter trank heimlich, und er hatte sie erwischt!
    »Guten Tag, Frau Wolter«, sagte er. »Was man nicht im Kopf hat …« Er klopfte auf die Brusttasche seines Jacketts. »Wichtige
     Notizen.«
    »Ah ja.« Sie stand noch immer wie festgefroren. Ihre Augen waren die eines Kaninchens, das plötzlich vor dem Fuchs stand.
    »Genehmigen Sie sich einen?«, fragte Rath und zeigte auf die Flasche
    »Mein Gott, Herr Rath …«, stammelte sie. »Es ist doch nur … Sie sagen … Sie müssen …« Sie schluckte. »Bruno darf das niemals
     erfahren!«
    Er schaute sie streng an und tat einen Augenblick, als überlege er, ob er es mit seinem Gewissen vereinbaren könne,

Weitere Kostenlose Bücher