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Der nasse Fisch

Der nasse Fisch

Titel: Der nasse Fisch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Volker Kutscher
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Kreuzberg. Bevor er Horst Jezorek, genannt Hotte, und Karl-Heinz
     Urban, genannt Kalle, von der Schule abholte und ins Präsidium brachte, wollte er einem alten Bekannten einen Besuch abstatten.
    Selenskij!
    Die Puzzleteile in seinem Kopf sortierten sich wieder einmal neu. Wie so oft schon in diesem Fall. Selenskij, den sie schon
     einmal hatten laufen lassen müssen, hatte also doch etwas mit Kardakow zu tun! Nur war er nicht dessen Leibwächter. Er war
     derjenige, der Kardakows Leichnam in Jänickes Grab gelegt hatte. Warum auch immer. Vielleicht hatte er Kardakow sogar auf
     dem Gewissen.
    Jedenfalls war es kein Zufall, dass er in demselben Haus wohnte wie die verschollene Gräfin.
    Arbeitete der Russe für Marlow? Rath war inzwischen beinah davon überzeugt, denn er hatte schon einmal einen von Marlows Leuten
     am Luisenufer gesehen: Josef Wilczek.
    Damals hatte der heilige Josef noch seinen Schnurrbart getragen, Rath hatte ihn für einen Hausbewohner gehalten und ahnungslos
     zu Kardakow befragt. Und Wilczek hatte ihm irgendwelchen Schwachsinn erzählt.
    Josef Wilczek war am Luisenufer gewesen, weil er dort Vitali Selenskij besucht hatte. Der Russe musste zu Marlows Leuten gehören,
     ebenso wie sein narbengesichtiger Kumpel. Rath hätte jede Wette darauf abgeschlossen, dass Narbengesicht Fallin der zweite
     Mann auf dem Friedhof gewesen war, auch wenn keiner der Jungen ihn wiedererkannt hatte.
    Wenn es wirklich Marlows Leute waren, stellte sich die Frage, warum Dr. M. die Leiche wieder ausbuddeln und der Polizei vor
     die Nase setzen lassen sollte?
    Oder gehörten die Russen zu den Nordpiraten , die mit der Berolina über Kreuz waren?
    Überhaupt nicht in irgendeines dieser Bilder passte es, dass die beiden als Polizeispitzel arbeiteten. Natürlich waren Spitzel
     keine Kollegen, aber warum sollten sie ein Polizistenbegräbnis sprengen und die gesamte Berliner Polizei blamieren wollen?
    Und für wen im Präsidium arbeiteten sie? Für die Politischen? Dass sie mit Wündischs Geheimniskrämern zu tun hatten, schien
     tatsächlich das Wahrscheinlichste zu sein.
    Die Ampel am Moritzplatz zeigte rotes Licht. Rath überprüfteseine Mauser. Die würde er gebrauchen, wenn der Kerl unangenehm werden sollte. Und das traute er dem Russen ohne weiteres
     zu. Rath glaubte nicht, dass die Geheimpolizei des Zaren seinerzeit besonders zimperlich zu Werke gegangen war.
    In der Reichenberger Straße kam ihm ein Leichenwagen entgegen. Schon wieder ein Toter. Jeden Tag starben hundertvierundzwanzig
     Berliner, fünf davon eines gewaltsamen Todes, meist durch einen Unfall. So sagte es die Statistik, die Rath sich noch in Köln
     besorgt hatte, um sich auf seinen neuen Einsatzort vorzubereiten. Und alle vier Tage musste die Polizei einen Fall von Mord
     oder Totschlag untersuchen. Arbeitslos würde er in der Inspektion A nicht werden.
    Dass am Luisenufer etwas nicht stimmte, sah er schon auf der Straße. An dem schmiedeeisernen Zaun, der den kärglichen Vorgarten
     einfriedete, lehnten drei Polizeifahrräder. Vor der Tür zum Hinterhaus stand ein Schupo vom 106. Revier, dem Rath seine Dienstmarke
     zeigte.
    »Mordinspektion? Wieso das denn, Herr Kommissar? War doch nur ein Unfall!«, sagte der Mann.
    »Routine«, murmelte Rath und schob sich durch die Tür. Die Wohnung von Herrn Müller stand offen. Rath ging hinein – und platschte
     in eine große Wasserlache. Die ganze Diele stand unter Wasser. Margarete Schäffner hockte auf dem Boden und wrang ein Putztuch
     aus. Das Wasser plätscherte in den Eimer. Sie hatte noch viel zu tun.
    Die Wohnung wirkte ungewöhnlich hell und freundlich für eine Hinterhauswohnung. Sie war nur sparsam möbliert, so hatte das
     Wasser keinen großen Schaden anrichten können, obwohl es in jeden Winkel geflossen war. Rath folgte der Lache und landete
     im Bad. Drei Männer standen neben der Badewanne, zwei Schupos und ein Mann im grauen Arbeitskittel. Alle drei schauten ihn
     überrascht an. Rath musste nicht erst nachfragen, um zu wissen, dass der Mann im Kittel Hermann Schäffner war. Diesmal nicht
     mit der SA unterwegs.
    Er zeigte den Männern seine Marke.
    »Nur ein Unfall, Herr Kommissar«, beeilte sich Schäffner zu sagen. »Ein bedauernswerter Unfall.«
    »Was ist denn überhaupt passiert?«, fragte Rath unwirsch. »Erzählen Sie doch mal von vorne!«
    Schäffner nahm Haltung an. Das war das Schöne an diesen Hobbysoldaten: Die hatten noch Respekt vor einem preußischen Beamten.
    »Also,

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