Der nasse Fisch
ungeduldig an. »Und?«
»Bringen Sie bitte das Geld mit.«
Rath fuhr auf direktem Weg in die Burg zurück. Zuerst besorgte er sich in Gennats Büro die ältesten Ordner der Akte Kardakow
und nahm sie mit in sein Büro. Darin war auch das Material gelandet, das Kriminalkommissar Gereon Rath vor anderthalb Wochen
zu den Ermittlungen beigesteuert hatte. Rath erinnerte sich daran, wie er es bei Böhm abgeliefert hatte. Der Oberkommissar
hatte ihn und seine Lieferung mit keinem Blick gewürdigt und die Papiere auf dem Schreibtisch liegen lassen, ohne sie anzufassen.
Dennoch waren sie in der Ermittlungsakte gelandet, allerdings lieblos abgeheftet, ohne jedes System. Rath musste etwas länger
suchen und fürchtete schon, Böhm habe seine Sachen einfach entsorgt. Dann fand er sie. Er nahm das Papier, das ihm Tretschkow
seinerzeit gegeben hatte, aus dem Ordner und steckte es ein. Das Fehlen würde so schnell niemand bemerken, im Moment hatte die Inspektion
A andere Sorgen als Papiere, die kein Mensch zu entziffern verstand.
Den Rest des Tages verbrachte Rath mit Telefonieren und Grübeln. Hatte er wirklich an alles gedacht? Es war ein schnell zurechtgezimmerter
Plan. Alles hing davon ab, dass Bruno Wolter anbiss. Und dann konnte immer noch einiges schiefgehen. Aber nun hatte er die
ganze Sache ins Rollen gebracht, es gab kein Zurück mehr.
Am späten Nachmittag erreichte er endlich auch Zörgiebel. Die Sozis machten wohl gerade mal eine Pause. Jedenfalls war er
im Hotel.
»Ich hoffe, der Parteitag läuft zu Ihrer Zufriedenheit, Herr Polizeipräsident?«
»Das hängt ganz davon ab, wie es bei Ihnen läuft, Herr Kommissar!«
»Morgen Abend«, sagte Rath. »Morgen Abend wird es sich entscheiden. Wenn er kommt, dann können Sie ihn übermorgen in die Wüste
schicken, das verspreche ich Ihnen. Und weitere Verhaftungen sind nicht ausgeschlossen. Ich bräuchte ein paar Leute.«
»Gut. Ich habe mit Wündisch gesprochen. Der ist im Moment so klein, der passt mit Hut unter den Teppich. Die Abteilung IA
gibt Ihnen alle Leute, die Sie brauchen. So ist die strenge Geheimhaltung gewährleistet, die bei dieser Operation unabdingbar
ist.«
»Ein paar gut bewaffnete Schupos könnte ich auch gebrauchen.«
»Lassen Sie das alles Wündisch regeln. Der weiß, auf welche Einheiten Verlass ist.«
»Weiß er auch, wie riskant die Operation ist?«
»Er hat einen Kriminalbeamten ins Feuer geschickt, der dabei draufgegangen ist. Da muss er in Kauf nehmen, dass es auch für
seine Leute mal gefährlich werden kann.«
»Nicht nur für seine Leute, für alle Beteiligten.«
»Ich weiß, dass es für alle gefährlich ist, auch für Sie, Herr Rath!Ich habe Ihnen ja gesagt, dass auch Sie nicht ungeschoren davonkommen. Sehen Sie das Ganze als Wiedergutmachung an. Wird schon
schiefgehen.«
[ Menü ]
34
E s war wieder kälter geworden. Ein ungemütlicher Wind pfiff über die Gleisanlagen des Ostbahnhofs. Bruno Wolter kannte das
Gelände und ging voran. Vor ein paar Wochen hatte er mit Selenskij und Fallin hier schon einmal nach dem Gold gesucht, doch
vergeblich. Auf vier Kesselwagen waren sie gestoßen. Die Lieferung aus der Sowjetunion, so hatte Wilczek sie beschrieben.
Doch was die Tanks enthielten, mit diesem Geheimnis hatte Marlow sogar vor seinen eigenen Leuten hinter dem Berg gehalten.
Klar war nur, dass es kein Rapsöl war. Aber Gold offenbar auch nicht, sonst hätte die Berolina es längst woanders hingeschafft und in Bargeld umgewandelt. Und das hatte sie nicht. Der große Dr. M. stand offensichtlich
selber vor einem Rätsel. Dennoch ließ er die vier Waggons scharf bewachen.
Wolter hatte sich gewundert, als Franz Krajewski sich gestern bei ihm gemeldet hatte. Ausgerechnet diese Type. Wäre dessen
Knarre nicht zu besonderen Ehren gekommen, er hätte ihn längst vergessen. Er hatte sich nicht viel von ihm erhofft, ein paar
Tipps aus der Porno-Szene vielleicht, niemals aber etwas Großes.
Skeptisch war er zu dem Treffen gefahren, fest davon überzeugt, der Mann wolle sich nur wichtigmachen, womöglich seine Knarre
zurück oder Geld schnorren. Doch Krajewski hatte erstaunlich gut Bescheid gewusst. Der Pornofritze hatte tatsächlich einen
Kumpel in der Berolina ! Einen Kumpel, der ihm die Freundin ausgespannt hatte und den er jetzt reinreiten wollte. Also bitte!
Nach Wilczeks Tod hatte Wolter keine Informationen mehr aus Marlows Organisation bekommen, und das hatte ihm in denletzten Wochen
Weitere Kostenlose Bücher