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Der nasse Fisch

Der nasse Fisch

Titel: Der nasse Fisch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Volker Kutscher
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raunzte er den Mann an. »Was treibt euch Sittenbullen denn ins Leichenschauhaus? Tote fallen doch nicht in
     euer Ressort. Oder habt ihr die Leichen selbst produziert?«
    Der Sittenkommissar sagte nichts, er trat näher.
    »Ich hab Sie was gefragt, Mann«, brüllte Böhm, »sind Sie taub?«
    Kommissar Rath zuckte kurz zusammen und nahm Haltung an. Hatte offenbar gedient. Der gute alte Preußendrill.
    »Hausdurchsuchungen im Unruhegebiet Neukölln«, sagte er. »War zufällig vor Ort, als es die beiden Frauen erwischte.«
    »Geht doch«, meinte Böhm zufrieden. Diesem eingebildeten Fatzke würde er Manieren beibringen. »Und nun verzieh’n Sie sich
     mal mit Ihrer Fuhre. Sie haben doch gehört: Das passt jetzt nicht. Ein echter Mord geht vor.«
    Der Lange schien ihn überhaupt nicht zu hören, sondern trat noch näher an den Marmortisch und schaute die Leiche an. Mit großen
     Augen, als habe er noch nie einen Toten gesehen. Dabei hatte er gerade zwei von der Sorte angeschleppt.
    »Was wollen Sie noch hier?«, schnauzte Böhm den Mann an. »Habe ich Sie etwa gebeten, die Leiche zu identifizieren?«
    »Natürlich nicht, Herr Oberkommissar!« Kommissar Rath stand wieder stramm.
    »Na, dann sehen Sie mal zu, dass Sie endlich Land gewinnen! Sie halten den Betrieb auf!«
    »Richtig«, mischte sich nun auch Dr. Schwartz ein. Der Gerichtsmediziner trat ungeduldig von einem Bein aufs andere. »Ich
     darf Sie bitten, den Obduktionstisch zu verlassen, wir müssen fortfahren«, sagte er und deutete auf die Uhr an der Stirnseite
     des Saales. »Ich habe noch viel zu tun heute.« Er gab den Weißkitteln einen Wink. »Bringen Sie die beiden Frauen in den Keller,
     ich kümmere mich mor…«
    »Halt!« Völcker unterbrach ihn. Die beiden Männer, die schon Anstalten gemacht hatten, die Bahren wieder hinauszurollen, blieben
     stehen. Schwartz schaute seinen Kollegen unwillig an. »Entschuldigen Sie, Kollege Schwartz«, fuhr Völcker etwas ruhiger fort,
     »ich wollte Sie nicht unterbrechen. Aber eigentlich bin ich hier nicht als Laufbursche, sondern um der Untersuchung der beiden
     Frauenleichen beizuwohnen.«
    Schwartz hob eine Augenbraue. »Wie Sie sehen, Herr Kollege, habe ich hier noch eine Leiche auf dem Tisch«, sagte er. »Für
     die hat der Staatsanwalt die Obduktion angeordnet. Das geht vor.«
    Völcker ließ nicht locker. »Es besteht der dringende Verdacht, dass diese Frauen durch den gezielten Schuss eines Polizeibeamten
     getötet wurden. Wenn Sie das jetzt auf die lange Bank schieben,könnte es so aussehen, als wollten Polizei und Staatsanwaltschaft etwas vertuschen.«
    »Wie das aussehen könnte, das überlasse ich Polizei und Staatsanwaltschaft. Ich bin Mediziner.« Schwartz konnte die Verärgerung
     in seiner Stimme kaum unterdrücken. »Sie ebenfalls, Kollege Völcker, wenn ich Sie daran erinnern darf. Da sollten Sie sich
     mit dem Äußern irgendwelcher Verdächtigungen besser zurückhalten.«
    »Der Staatsanwalt wird ohnehin die Obduktion anordnen«, meinte Völcker.
    »Alles zu seiner Zeit«, entgegnete Schwartz. »Zunächst einmal hat mich die Polizei lediglich um eine Untersuchung gebeten.
     Sie wissen doch selbst, dass ich nicht eigenmächtig eine Leiche öffnen darf.« Er schaute Völcker über den Rand seiner Brille
     hinweg an. Es wirkte fast mitleidig. »Es geht nur um eine Untersuchung, Kollege Völcker. Und wenn ich die heute überhaupt
     noch erledige, dann vielleicht Ihnen und der alten Zeiten zuliebe. Und wenn Sie dabei sein möchten, werden Sie sich noch etwas
     gedulden müssen.«
    Völcker schien die Ironie in Schwartz’ Worten nicht bemerkt zu haben. Oder er ignorierte sie bewusst. Jedenfalls gab er sich
     mit diesen Worten zufrieden und setzte sich auf eine Holzbank, die an der gekachelten Wand stand. Die beiden Weißkittel verschwanden.
     Ohne Leichen.
    Böhm hatte sich ziemlich beherrschen müssen, um dem Kommunistenarzt nicht die Meinung zu geigen. Störte hier nur den Betrieb,
     der Mann. Genauso der Sittenbulle, der ihn angeschleppt hatte. Als Dr. Schwartz das Laken zurückwarf, starrte die Nervensäge
     auf die zermatschten Hände des Toten. Der Lange hatte sich noch keinen Millimeter von dem Marmortisch wegbewegt.
    »Übel«, sagte er. »Sieht ja fast so aus, als wäre er gefoltert worden!«
    Böhm platzte der Kragen. Jetzt reichte es! Musste der immer noch seinen Senf dazugeben?
    »Mein lieber Freund, Sie arbeiten bei der Sitte!«, herrschte er den Schlauberger an. »Glauben Sie, nur

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