Der Nautilus-Plan
dich zurück«, flüsterte sie ihm zu. »Vielleicht werden wir befreit.«
Sie sah ihm in die Augen, und er signalisierte ihr mit einem Nicken, dass er verstanden hatte. Das war nicht der Ort oder Zeitpunkt für einen Kampf, nicht in seinem Zustand und nicht mit ihren beschränkten Mitteln. Sie kamen an mehreren geschlossenen Türen vorbei, als die Wachen sie hastig den Gang hinuntertrieben. Von den Wänden blätterte die Farbe. Sie näherten sich einem Lastenaufzug, dessen Tür wie das Maul eines Hais nach oben und unten aufklappte. Die Männer schoben sie nach drinnen und drückten auf den Knopf fürs Erdgeschoss.
Schweißüberströmt hob und senkte Cesar Duchesne die 15-Kilo-Hantel, mit der er seine rechte Brustmuskulatur trainierte. Er saß auf einem Hocker und blickte über die Dächer von Paris zum Eiffelturm, der sich, im Dunkeln silbrig glitzernd, wie ein unwirklicher Weihnachtsbaum in den Himmel hob.
Die Klimaanlage kräuselte die Vorhänge und kühlte seinen Schweiß, während er über die Informationen nachdachte, die ihm bereits vorlagen und die er noch benötigte. Er hatte Kronos noch immer nicht mitgeteilt, dass Mac tot und Sansborough auf der Flucht war. Aber er hatte ihm ohnehin nicht alles gemeldet. Fest stand, dass die Operation wesentlich unberechenbarer geworden war, als irgendjemand erwartet hatte. Wenn er das nächste Mal mit Kronos telefonierte, wollte er zum Ausgleich für die schlechten Nachrichten ein paar gute beisteuern können. Er hatte nicht vor, seinen Job zu verlieren.
Trotzdem ließ er sich Zeit, als das Telefon klingelte. Er beendete erst den Curl, bevor er die Hantel beiseite legte und zum Nachttisch hinkte. »Oui?«
Es war Trevale. An seiner nasalen Stimme erkannte er ihn sofort, als er aufgeregt hervorstieß: »Wir haben Sansborough verloren!«
Cesar Duchesne hatte Emotionslosigkeit zu einer Kunstform erhoben, aber diese Nachricht war selbst für ihn zu viel. Fluchend strich er mit der Hand über seinen rasierten Schädel. Bei Sansboroughs Rückkehr aus London hatte er drei Leute zum Gare du Nord geschickt, um sie zu observieren. Die drei Mitglieder des Teams waren äußerlich sehr unterschiedlich und fügten sich bestens in das Stadtbild ein – ein Taxifahrer, ein Ausfahrer und eine Studentin, die zu Fuß unterwegs war. Außerdem war da noch das GPS-Gerät in Sansboroughs Handy, das der Grund dafür war, dass sie dem Lieferwagen gefolgt waren, der aus der Tiefgarage des Hotels gekommen war, bis sie merkten, dass Sansborough gar nicht darin war. Sie waren daraufhin sofort zum Hotel zurückgekehrt, hatten Sansborough aber erst wieder entdeckt, als sie nach draußen kam, um eine Frau mittleren Alters zu beschatten, die an der Bushaltestelle gesessen hatte.
»Wo hat Guignot sie aus den Augen verloren?«, fragte Duchesne.
»In Belleville.«
Ausgerechnet! »Wie ist das passiert?«
»Renée konnte ihr in der Metro folgen, und als Sansborough an der Station Gambetta ausstieg, übernahm Guignot.« Trevale seufzte. »Aber dann bekam er einen Platten.«
»Einen Platten? Wie ist das möglich?«
»Manche Dinge sind eben nicht vorhersehbar. Er fuhr über einen Nagel, und der Reifen verlor Luft.«
»Was ist das für eine Frau, der sie folgt? Wer ist sie?«
»Wir glauben … sie könnte auch gestern schon dagewesen sein … vor dem Hotel. Sie saß auf einer Bank an der Bushaltestelle.« Dann, mit einem Anflug von schlechtem Gewissen. »Sie wissen ja, wie viel auf dieser Kreuzung los ist.«
»Diese Frau hat das Hotel observiert? Und ihr habt sie euch entwischen lassen!« Das wurde ja immer schöner. Möglicherweise war das die Frau, die Sansborough verdächtigte, Mac umgebracht zu haben. »Hat Guignot gesagt, dass Sansborough dieser Frau immer noch folgt?«
»So ist es. Dann ist ihm das mit dem Reifen passiert.«
Duchesne zögerte nicht lange. »Schicken Sie alle verfügbaren Leute nach Belleville, aber sagen Sie Guignot, er soll sich im Hintergrund halten. Sie würde ihn erkennen. Wir müssen herausbekommen, was sie dort macht.« Während er Trevale noch weitere Anweisungen erteilte und eine Adresse nannte, schnappte er sich Jacke und Mütze und beendete das Gespräch. Als er aus der Tür stürmte, wählte er bereits eine neue Nummer und fauchte auf Französisch: »Sie kriegen vielleicht unerfreulichen Besuch!«
»Ich weiß! Sie sind schon hier!«
Liz schlich in das Innere des Lagerhauses und zog sich auf dem mit zerbrochenem Glas übersäten Boden sofort in eine
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