Der Nautilus-Plan
aufhielt. Andererseits saß er natürlich auch im Verwaltungsrat, wo seine Beziehungen und somit auch er selbst sehr gefragt waren. Er hatte den Attorney General als einen kleinen und verschlagenen Mann in Erinnerung, der von brennendem Ehrgeiz besessen war.
Jedes Mal, wenn einer seiner Füße auf dem Pflaster aufsetzte, begehrten seine Muskeln auf, und seine Verbitterung wuchs. Das kam alles zu einem äußerst ungelegenen Zeitpunkt, zu dem er sich eigentlich voll und ganz auf das neue Projekt konzentrieren musste, das er in mehreren ehemaligen Ostblock-Staaten durchboxen wollte. Sein Zustandekommen war von ganz entscheidender Bedeutung, da es InQuox in Ländern, in denen es für kreative Finanzierungen noch viel Spielraum gab, in eine aussichtsreiche Startposition brächte.
Verärgert und endlich auch müde, begann Prometheus, langsamer zu laufen. Er gab seinen zwei Bodyguards Raoul und Roger, die hinter ihm hergelaufen waren, ein Zeichen. Sie hatten gerötete Gesichter und atmeten schwer.
Raoul reichte Prometheus eine Flasche Evian. »Soll ich den Wagen kommen lassen, Mr. Hornish?«
»Ich gehe zu Fuß.« Prometheus – Richmond Hornish – nahm einen Schluck Wasser und warf die Flasche, ohne den Deckel wieder aufzuschrauben, nach Raoul. Das Wasser spritzte auf das Hemd des Bodyguards und auf die Bluse einer Frau, die mit einem kleinen Jungen vorbeiging. Raoul verzog keine Miene, als die Frau einen erschrockenen Schrei ausstieß und den Jungen an sich zog.
Mit einem flüchtigen Gefühl von Befriedigung drehte sich Hornish um und ging zu seinem hôtel particulier zurück. Er blendete den Lärm von Raouls Entschuldigungen an die Frau aus und streckte die Hand aus. Roger reichte ihm ein flauschiges Frotteehandtuch. Als Hornish sich damit Gesicht und Hals abtrocknete, hörte er sein Handy läuten. Es war an Rogers Gürtel befestigt. Er riss es an sich und machte eine schroffe Handbewegung, worauf sich die zwei Bodyguards außer Hörweite zurückzogen.
Er holte tief Luft. »Hier Prometheus.«
»Wo sind Sie gerade, Prometheus?«
»Noch in Paris. Warum?«
»Wir müssen uns unbedingt treffen, und zwar alle Mitglieder der Schlange. In zwei Stunden bei mir, in London.«
»In Ordnung. Was ist nun eigentlich mit den Aufzeichnungen des Carnivore? Ich dachte, bei Ihrem nächsten Anruf würden Sie uns mitteilen, dass sie endlich gefunden wurden.«
»Man möchte meinen, Sie hätten im Moment andere Probleme. Ich höre, Sie kriegen jetzt in New York Ärger.«
»Ach, das? Zivilklagen gehören zum Berufsrisiko. Ich warte eigentlich auf Neuigkeiten über die Aufzeichnungen, Kronos. Wollen Sie diese Operation etwa ohne uns durchziehen?«
»Wie Sie sehr wohl wissen, sind die Vorwürfe gegen Sie alles andere als harmlos, und dann ist da noch diese Geschichte in Kalifornien. Ich nehme mal an, Sie werden Kapital aufnehmen müssen.«
»Vielleicht, aber an Hyperion kann ich mich da jetzt nicht mehr wenden, oder?«
Der Travellers Club, sehr privat und sehr exklusiv, befand sich in einer noblen Adresse in unmittelbarer Nähe der Champs-Elysées. Atlas konnte sich vage erinnern, dass das Haus einmal einer Abenteurerin des 19. Jahrhunderts gehört hatte – einer berühmt-berüchtigten Marquise, deren Namen er nie erfahren hatte. Er saß bei einer Tasse Assam-Tee im Grand Salon des Clubs. Die Fenster befanden sich auf der anderen Seite des Raums, was die Gefahr, von draußen belauscht zu werden, deutlich verringerte. Zudem waren die anderen Tische und Sessel des prunkvollen Salons weit genug voneinander entfernt, um sich ungestört unterhalten zu können.
Groß gewachsen, schlank und energiegeladen, saß Atlas gekrümmt wie ein Säbel über seinem Tee, aber er ließ sich seine Ungeduld nicht anmerken, während er auf EU-Wettbewerbskommissar Carlo Santarosa wartete. Alles hing jetzt von Santarosa ab, denn nur er konnte den von Gilmartin Enterprises geplanten 40-Milliarden-Deal genehmigen, mit dem das Unternehmen seine Vormachtstellung im internationalen Baugewerbe zurückerobern wollte.
Er sah auf seine Timex. Wo blieb dieser blöde EU-Bürokrat nur so lange?
In dieser Atmosphäre gediegener Eleganz war der Bauunternehmer mit seinem Anzug von der Stange, den derben Halbschuhen, dem weißen Hemd und der Stanford-Universitätskrawatte nicht ganz adäquat gekleidet. Auf dem Mittelfinger seiner rechten Hand hatte er blaue Tintenflecke. Neben ihm lagen ein Taschenrechner und ein Handy. Obwohl sein Vermögen auf annähernd eine
Weitere Kostenlose Bücher