Der Nautilus-Plan
unbebautes Grundstück. Vor ihnen wartete ein riesiger Sattelschlepper. Als sie langsam darauf zufuhren, ging die Heckklappe auf, und eine Rampe wurde herabgelassen. Der Lieferwagen fuhr in den Laderaum, und die bewaffneten Männer stiegen aus. Als einer von ihnen eine tragbare Toilette zwischen die Bänke stellte, tauschten Sarah und Asher einen erleichterten Blick aus. Vorerst würden sie wohl noch am Leben gelassen werden.
Der Fahrer schloss die Tür zum Führerhaus und verriegelte sie. Als auch die Hecktüren zugingen, sprang Sarah auf und rüttelte an den Griffen. Asher, der auf der Bahre festgeschnallt war, fluchte. Sie befanden sich in einem mobilen Gefängnis – im Lieferwagen eingeschlossen, im Laderaum des Sattelschleppers neugierigen Blicken entzogen. Es war bedrückend eng und dunkel, und nur durch die Ritzen der Tür zum Führerhaus kam etwas Licht.
Sarah löste die Riemen, mit denen Asher an die Bahre geschnallt war. Sie hielten sich an den Händen und lauschten angespannt, als der Motor des Sattelschleppers ansprang. Der große Lkw wendete und fuhr los. Wenn Sarah ihr Richtungssinn nicht täuschte, bogen sie nach rechts auf die Straße, auf der sie gekommen waren, und fuhren weiter nach Nordosten, in Richtung Autobahn.
Aber mittlerweile hatte sie keine Ahnung mehr, wo sie waren. Fuhren sie nach Westen ans Meer? Nach Osten in Richtung Belgien oder Luxemburg? Oder gar nach Süden, ohne dass sie es mitbekommen hatte? Sie lauschte dem einlullenden Singen der dicken Reifen und kämpfte gegen ihre Frustration und Angst an.
Asher räusperte sich. »Hast du noch die Tüte mit den ganzen Medikamenten?«
Der Sattelschlepper neigte sich auf die Seite. Sie bogen wieder ab.
Sarah schlug die Augen auf. »Du musst dich ausruhen. Damit du wieder gesund wirst. Wir reden am Morgen.«
»Noch wichtiger ist, dass wir uns Gedanken machen, wie wir hier rauskommen. Und wenn, sollten wir das lieber jetzt versuchen, nachts. Dann stehen unsere Chancen besser.«
»Du bist wahnsinnig.«
»Ich habe übrigens simuliert. Ich weiß, du hältst mich für einen grundehrlichen Menschen, weshalb ich dir deine Illusionen nur sehr ungern raube. Tatsache ist allerdings, dass es mir wesentlich besser geht. Ich fühlt mich eindeutig kräftiger. Sogar deutlich kräftiger.«
Sie sagte nichts. Dann sah sie, wie sich etwas bewegte. Er setzte sich auf und machte an seinem Handgelenk herum.
»Was machst du da?«
»Ich brauche die Nadel des Tropfs.«
Sie sprang auf und packte ihn an der Hand. »Nein, nicht, Asher! Nicht rausziehen!«
»Zu spät. Hey! Vorsicht! Nicht, dass ich dich aus Versehen ersteche. Ich habe das kleine Dings gefunden, mit dem man die Salzlösung abdrehen kann. Schön sauber und ordentlich, das war immer schon meine Devise.«
Sie warf die Hände in die Luft. »Und mein größter Wunsch war mal, dich ständig in meiner Nähe zu haben. Ich bin diejenige, die nicht mehr ganz bei Trost ist!« Sie versuchte, sich zu beruhigen. »Also schön. Es geht dir schon so gut, dass ich dich nicht mehr bändigen kann. Dann müsste es dir eigentlich auch gut genug gehen, um ein bisschen zu arbeiten. Erzähl mir, was du vorhast.«
London
In Sir Anthony Brookshires Arbeitszimmer standen leere Kristallgläser herum, und kalter Zigarrenrauch hing in der Luft, als er zu seinem Sessel zurückkehrte, sich setzte und nachdenklich das letzte Aufbegehren der Glut im Kamin betrachtete. Diesmal hatte das Treffen der Schlange einen schalen Beigeschmack bei ihm hinterlassen. Bis auf einen waren alle ihre Mitglieder anständige Männer mit guten Absichten, Männer, die sich der Notwendigkeit streng pragmatischen Vorgehens bewusst waren. Dieser Punkt war von entscheidender Bedeutung. Andernfalls wäre ihr Treffen umsonst gewesen. Vor einer halben Stunde hatten sie sich verabschiedet und auf den Weg zu ihren Londoner Wohnungen gemacht. Morgen begann die Konferenz in Dreftbury.
Doch Sir Anthony wusste immer noch nicht, welcher von ihnen die Aufzeichnungen hatte. Die Tatsache, dass ein Verräter unter ihnen war, ging ihm gewaltig an die Nieren. Er lauschte der melancholischen Stille des Hauses.
Als sein Handy läutete, griff er erwartungsvoll danach. »Ja?«
»Sie haben um Rückruf gebeten.« Es war Duchesne. Sein nüchtern sachlicher Ton war immer gleich, unabhängig davon, ob er mittags anrief oder um Mitternacht. »Wie ich bereits vermutet hatte, haben sich Sansborough und Childs zusammengetan. Aber wir haben sie in Pigalle aus den
Weitere Kostenlose Bücher