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Der Nautilus-Plan

Der Nautilus-Plan

Titel: Der Nautilus-Plan Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gayle Lynds
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nahmen zwei Streifenwagen die Verfolgung auf.
    Währenddessen konnte der Lieferwagen mit Malkos Männern vorerst unbehelligt in die andere Richtung entkommen.
    Voller Freude über ihre wiedergewonnene Freiheit holte Simon tief Luft. So weit so gut. Sein Blick blieb auf Liz haften. Ein ungewohntes Gefühl ließ sein Herz schneller schlagen, als er sie etwas von einem »alten Freund« ins Handy murmeln hörte. Er fragte sich, ob ihr Plan, nach England zu fahren, Aussicht auf Erfolg hatte. Jedenfalls hatte er bislang keinen besseren Vorschlag, und sie schien fest entschlossen. Er spürte eine ungewohnte Bereitwilligkeit, ihr zu vertrauen.
    Als sie das Gespräch beendet hatte, sagte er: »Macht Faust mit?«
    »Ja, wir haben Glück. Irgendwelche Probleme?«
    »Bisher nicht.«
    Als er ihr mit Genugtuung in der Stimme schilderte, wie der Lieferwagen und der Toyota das Weite gesucht hatten, kehrten die Menschen wie Geister auf einem Friedhof wieder auf die Straße zurück. In diesem Abschnitt des Boulevard de Clichy zwischen Place Pigalle und Place Blanche reihten sich Peepshows an Sex-Shops und Massagesalons.
    Immer mit einem wachsamen Auge auf ihre Umgebung, begannen Simon und Liz schneller zu gehen. Aus Bars kam blaues Licht und verlieh allen weißen Kleidern ein gespenstisches Leuchten. Prostituierte mit phosphoreszierenden Handschuhen deuteten mit unmissverständlichen Gesten ihre Handreichungen an. Andere zückten in Hüftgürteln steckende Messer. Leute standen Schlange, um sich Pornofilme anzusehen. Die Atmosphäre war geprägt von Alkoholgeruch und Zoff und verzweifeltem Sex.
    Erleichtert stellte Liz fest, dass ihr niemand nähere Beachtung schenkte. Mit ihrer Brille und ihrer zusammengesunkenen Haltung war sie in dieser sexuell aufgeheizten Umgebung nicht nur unattraktiv, sondern auch uninteressant. Trotzdem hatte sie die ganze Zeit ein ungutes Gefühl. Simon stolzierte neben ihr her, als gehörte ihm die Straße, die Stadt, die Welt. Frauen sahen ihm hinterher, Männer wandten den Blick ab.
    An der Noctambus-Haltestelle an der Place de Clichy kauften sie Fahrkarten und stiegen ein. Als sie den Mittelgang hinuntergingen, inspizierten sie unauffällig die Gesichter der anderen Fahrgäste und nahmen ganz hinten Platz. Simon stellte seine Sporttasche zwischen ihnen auf den Boden und lehnte sich seufzend zurück, als der Nachtbus losfuhr. Froh, seine lächerliche Verkleidung endlich ablegen zu können, strich er sich mit den Fingern das Haar aus der Stirn und nahm die Sonnenbrille ab.
    Er ertappte sich dabei, wie er Liz beobachtete, als sie auf das nächtliche Lichterflimmern hinausblickte. Ihr Profil wirkte verkrampft, ihr sinnlicher Mund angespannt. Sie machte einen besorgten Eindruck, so, als wäre sie in Gedanken ganz woanders, an einem Ort, den nur sie kannte.
    Als sich der Bus in den Verkehrsstrom einordnete, fragte Simon leise: »Warum hast du es dir eigentlich doch noch anders überlegt und Malkos Glock an dich genommen? Hat das damit zu tun, dass du Sarah und Asher nicht helfen konntest, als sie aus dem Lagerhaus gebracht wurden?«
    Sie sah ihn an, bevor sie zur Bestätigung kurz nickte. Er hatte sie zurückgerufen, und seinetwegen war sie gekommen. »Ja und nein. Ein Teil von mir wollte von dem Moment an eine Waffe, als ich in Santa Barbara überfallen wurde. Meine spontane Reaktion war, die Person, die mich umzubringen versucht hatte, zu töten. Aber was bringt Rache mehr als noch mehr verletzte oder tote Menschen? Die eigenen Schmerzen werden davon nicht schwächer. Die Menschen, die verletzt oder getötet wurden, werden nicht geheilt oder zum Leben erweckt. Nichts wird besser. Auch man selbst wird nicht besser. Man hat sich genau so verhalten wie sie, die Verbrecher, die man verabscheut. Ich halte das nicht für ehrenhaft oder klug. Und schon gar nicht für anständig oder moralisch.«
    »Ich weiß nicht, ob viele Menschen mit dir einer Meinung wären.«
    »Damit willst du doch sagen, dass du nicht einer Meinung mit mir bist.«
    »Damit hast du vielleicht nicht Unrecht«, gab er zu.
    »Gewalt ist zum Allheilmittel geworden. Ich mache mir ernsthaft Sorgen, was noch aus uns wird. Worauf die Zivilisation zusteuert.«
    »Und trotzdem wolltest du die Glock haben.«
    Sie setzte sich zurück, um sich über ihre Emotionen klar zu werden. Sie wollte sich – und ihm – gegenüber ehrlich sein. »Es gibt wenig Menschen, die eine Ausbildung wie meine erfahren haben. Es wäre pure Heuchelei, jemand anders zu bitten,

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