Der Nautilus-Plan
zunächst betretene Stille ein, aber Sir Anthony wusste, dass jeder von ihnen im Hinterkopf denselben Gedanken gehabt hatte. Dass nämlich, nachdem Sansborough und Simon Childs vollkommen ihrer Kontrolle entzogen und Walker und Flores wahrscheinlich in der Gewalt des Erpressers waren, die Zukunft der Schlange selbst auf dem Spiel stand, und mit ihr alles, was das für sie und ihre Pläne für die Welt bedeutete. Das heißt, für alle bis auf einen von ihnen, den das nicht kümmerte.
Die Schlange war nicht gegründet worden, um noch mehr Zerstörung über die Welt zu bringen. Ganz im Gegenteil. So war zum Beispiel eins ihrer ersten Mitglieder, Sir Anthonys Vater, unter Nikita Chruschtschow maßgeblich am Wiederaufbau des Zentrums von Moskau beteiligt gewesen. Als es 1962 zur Kubakrise kam, beriet er Chruschtschow und veranlasste das Schreiben, in dem der Kreml Washington einen Kompromiss anbot, was zum Rückzug der Sowjets führte und einen Atomkrieg abwendete.
Einen weiteren wichtigen Beitrag hatte erst im vergangenen Jahr ein amerikanisches Mitglied der Schlange geleistet, das durch eine großzügige Spende das Fortbestehen des Peace Corps gewährleistete. Ende der 1970er-Jahre versetzten die drei europäischen Mitglieder dem faschistischen Spanien einen schweren Schlag, als sie die Gesetzgeber in Madrid durch Geld und gute Worte dazu brachten, bis dahin verbotene politische Parteien zuzulassen.
Die Schlange befand sich in der Tat auf gefährlichem Terrain, aber Brookshire sah keine Möglichkeit, es hinter sich zu lassen. Die Schlange musste fortbestehen – unbekannt, unentdeckt und mit unverminderter Macht. Die Aufzeichnungen mussten unbedingt beschafft werden, aber nicht auf Kosten des Fortbestehens der Schlange selbst. Er, Kronos, wusste, was zu tun war. Es war seine Pflicht als Vorsitzender, diese schwierigen Entscheidungen zu treffen.
Seine Stimme war gefasst, als er jedes Gesicht auf eine Reaktion hin beobachtete. »Die Sicherheit der Schlange muss Vorrang vor den Aufzeichnungen des Carnivore haben. Wir werden die Aufzeichnungen finden und dem Erpresser das Handwerk legen, aber nicht jetzt und nicht mithilfe von Sansborough und Childs. Sie wissen inzwischen, dass jemand sie manipuliert hat, denn sonst würden sie sich nicht so verhalten, wie sie sich verhalten. Falls sie überleben, werden sie wegen der Aufzeichnungen gegen uns vorgehen. Jeder von beiden hat weitreichende Beziehungen und könnte für einigen Ärger sorgen, unter anderem auch die Existenz der Schlange publik machen und sie dadurch zerstören. Ich sehe keine andere Möglichkeit: Sansborough und Childs müssen eliminiert werden. Danach hat der Erpresser keine Verwendung mehr für Walker und Flores.«
Daraufhin trat erst einmal betretene Stille ein, aber Kronos konnte auch die Erleichterung der anderen spüren. Sie alle hatten sich Sorgen gemacht, alle bis auf einen.
Schließlich holte Richmond Hornish hörbar Atem. »Walker und Flores sind vermutlich bereits tot.«
Wusste er das, fragte sich Kronos?
»Manchmal müssen Opfer gebracht werden«, sagte Inglethorpe unverblümt. »Um das größere Übel zu beseitigen, muss man das kleinere Übel hinnehmen.«
Käme das erste Ja von Helios? Weil ihm daran lag, die Suche nach den Aufzeichnungen zu beenden?
»Auf die eine oder andere Art ist jeder von ihnen eine Gefahr für uns«, fügte Gilmartin hinzu.
Menchen war der Einzige, der nichts sagte, sondern Sir Anthony nur verlegen ansah und dann wegschaute. Blieb er neutral, weil er der Erpresser war?
»Sind wir uns demnach einig?«, fragte Kronos, an die Runde gewandt. »Wenn dem so ist, werde ich Duchesne Anweisung erteilen, Sansborough und Childs zu eliminieren, sobald er sie findet.«
Hornish nickte abrupt. »Es wird Zeit, den Schaden zu begrenzen, und nach vorne zu schauen.«
Kronos sagte: »Prometheus stimmt dafür.« Er wandte sich Gilmartin zu. »Atlas?«
»Es ist einiges schief gegangen. Auch ich stimme mit Ja.«
»Helios?«
»Ja, verdammt noch mal«, brummte Inglethorpe.
»Okeanos?«
Christian Menchen blickte auf seine leeren Handflächen hinab. Dann drehte er sie und betrachtete die Handrücken. Schließlich verschlang er die Hände ineinander. »Ja.«
Brookshire blickte nach links und rechts in die ernsten Gesichter. Er nahm einen kräftigen Schluck von seinem Brandy. »So sei es also.«
TEIL III
Warum eine Bank überfallen,
wenn man eine besitzen kann.
AMERIKANISCHES
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