Der Nautilus-Plan
unverkennbarer Erheiterung. Simon hatte den ganzen Flug über auf Kohlen gesessen.
»Ich bin ehrlich überrascht«, gab Simon zu. »Die Maschine ist tatsächlich so zuverlässig, wie Sie gesagt haben.«
Liz sah ihn an und erinnerte sich plötzlich an die Nervosität, die ihn befallen hatte, als sie vorgeschlagen hatte, nach England zu fliegen. »Du fliegst grundsätzlich nicht gern, stimmt’s.«
Er zuckte verlegen mit den Schultern, und sie gingen mit Faust in ihrer Mitte rasch los. Bäume und Büsche schwankten im nächtlichen Wind. Über ihnen fegten dunkel bestäubte Wolken über den Sternenhimmel. Simon entging nicht, dass auch Liz das Haus und die Nebengebäude genau in Augenschein nahm. Die Wahrscheinlichkeit, dass ihnen jemand gefolgt war, war sehr gering. Dennoch konnte – oder wollte – keiner von beiden sich so richtig entspannen.
Als Faust vor dem Abflug bei seinem Freund Hamilton, einem hoch dekorierten RAF-Piloten aus dem Zweiten Weltkrieg, angerufen hatte, bekam er mitgeteilt, dass dieser in seiner De Havilland Humming Bird an einer Flugschau in Kent teilnahm. Aber Hamilton hatte gesagt, dass sie seinen Jeep benutzen könnten. Den Hausschlüssel fand Faust hinter einem Blumenkasten mit roten Geranien neben der Küchentür. Er ging nach drinnen, kam kurz darauf mit den Schlüsseln für den Jeep zurück und reichte sie Liz.
Sie dankte ihm. »Ist das Bellingham?« Sie wies mit dem Kopf auf ein paar vereinzelte Lichter in der Ferne. In diesem Fall war nämlich die Straße, die an der kleinen Ortschaft vorbeiführte, die B6320, auf der man zu Lord Henry Percys Gut kam.
»Oui.« Henry Faust wandte sich Simon zu. »Wiedersehen, junger Mann.« Er schüttelte Simon die Hand und packte Liz wieder an den Schultern, küsste sie rasch auf beide Wangen und entfernte sich. »Alles Gute.« Der Wind trug seine Worte zu ihnen zurück.
Liz und Simon liefen zur Garage und öffneten das Tor. Dahinter befanden sich ein Jeep und ein Motorrad. Sie stiegen in den Jeep, und Liz stieß rückwärts aus der Garage. Simon fand im Handschuhfach eine Landkarte. Es war zwanzig Jahre her, dass Liz Onkel Henry zum letzten Mal besucht hatte. In Simons Fall waren es zehn. Sie lenkte den Jeep auf eine asphaltierte Straße und dann auf eine Hauptverkehrsstraße, auf der sie in südlicher Richtung fuhren, an einem Fluss entlang und vorbei an den dichten Wäldern des Northumberland National Park. Auf der Straße herrschte so gut wie kein Verkehr.
»Diesmal können wir sicher sein, dass uns niemand beschattet«, sagte sie zu Simon.
»Außer von den Geistern der Border Reivers.«
»Das erinnert mich an die Gruselgeschichten, die uns Onkel Henry immer erzählt hat.«
Er blickte sich grinsend um, als hielte er nach den sich befehdenden Räuberbanden Ausschau, die jahrhundertelang auf beiden Seiten der englisch-schottischen Grenze Ernteerträge und Vieh geraubt hatten. Die Earls von Northumberland – die Percys, Henrys Vorfahren – hatten in dieser gesetzlosen Zeit geherrscht wie Könige.
Auch Liz lächelte. Ihr war plötzlich ganz leicht ums Herz. Die Tatsache, dass sie ihre Verfolger abgeschüttelt hatten, stimmte sie optimistisch. Sicher waren Sarah und Asher noch am Leben und warteten darauf, dass Liz und Simon sie und die Aufzeichnungen fanden.
Endlich entdeckte Simon eine Felsformation, die wie ein liegender Mann aussah, von den Einheimischen als Schlafender Säufer bezeichnet, in Fremdenführern dagegen als Ruhender Weiser beschrieben wurde. Die Felsen markierten die Grenze von Baron Henry Percys Gut. Liz bog in die vertraute Einfahrt, die pfeilgerade durch ein Gehölz führte. Aber inzwischen waren die Bäume so verwildert, dass die Zweige wie knochige Finger an den Seiten des Jeep kratzten.
»Das ist aber neu«, bemerkte Liz.
»Komisch, dass Clive die Zufahrt dermaßen vernachlässigt hat. Sonst war er doch immer so penibel.«
Weil das dichte Blätterdach das Mondlicht abhielt, war es auf der Straße vollkommen dunkel. Liz machte das Fernlicht des Jeeps an und fuhr rasch weiter. Sie kamen durch eine Schlucht mit einem Bach, an dem sie als Kinder gespielt hatten. Schließlich lichtete sich der Wald, und sie hatten einen unverstellten Blick auf Moorlands, das weitläufige Herrenhaus, das Henry immer schon als Landsitz gedient hatte, bevor er sich ganz hier zur Ruhe gesetzt und die Führung seiner Geschäfte einer Hand voll Neffen und Nichten überlassen hatte. Seitdem lebte er ständig in Moorlands, wenn er nicht gerade
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