Der Nautilus-Plan
Einmal ganz unabhängig davon, ob es dir etwas hilft – ich verzeihe dir.«
Er sah sie mit einem verhaltenen Lächeln an. »Ob du es glaubst oder nicht – es hilft.«
Sie lächelte ebenfalls. »Nicht nur das, ich verzeihe dir auch, dass du früher, als wir jung waren, Geschäfte mit mir gemacht hast.«
Er kam zum Sofa zurück, nahm einen kräftigen Schluck Whisky und setzte sich. »Von dieser Geschichte in Tusla habe ich noch niemandem etwas erzählt. Beim MI6 wissen sie natürlich Bescheid. Ich wurde aufs Abstellgleis geschoben und bekam irgendeinen Schreibtischjob, bis ich sie schließlich überreden konnte, mich bei den Globalisierungsgegnern einzuschleusen. Sie brauchten jemanden für diesen Job, und ich habe die erforderlichen Voraussetzungen erfüllt. Wahrscheinlich wollte ich mich von meiner Schuld reinwaschen.«
»Drei Jahre sind eine lange Zeit, um alles aufzugeben, sogar seine eigene Identität. Ich würde sagen, du hast etwas Nützliches und Lobenswertes getan.«
Liz gefiel das Mitgefühl, das sie in Simon entdeckte. Sie bewunderte ihn dafür. Fast bekam sie ein schlechtes Gewissen, dass sie ihn bisher für oberflächlich gehalten hatte. Sie konnte die Stimme ihres Vaters hören. Glauben heißt nichts wissen. Das Zimmer war erfüllt von der Wärme und dem Geruch des Feuers und einem angenehm unverkrampften Gefühl von Nähe. Da war es wieder, das Vertrauen, die Anziehung.
»Jetzt bin ich dran«, sagte sie.
»Der General erteilt dir Erlaubnis zu sprechen.«
»Es ist nichts so Dramatisches wie bei dir. Hast du eigentlich gehört, wie mein Vater gestorben ist?«
»Hab ich nie rausgekriegt. Das wurde sehr diskret und verschwiegen gehandhabt.« Er veränderte seine Haltung auf dem Sofa, sodass er sie ansehen konnte. Sie war nicht geschminkt. Ihr Gesicht war unglaublich – große Augen, voller Mund, hochgewölbte Augenbrauen und natürlich dieser Leberfleck über dem Mundwinkel. Und zum ersten Mal wurde er sich der Zartheit bewusst, die aus ihren spektakulären Zügen sprach. Die Art, wie ihre Wimpern bebten, wenn sie den Blick senkte. Die seidige Haarlocke, die ihr Kinn streifte. Die zarte, von Müdigkeit hervorgerufene Rötung ihrer Wangen. Sie war gerade sehr nett und verständnisvoll gewesen. Sie hatte ihm zugehört. Es war lange her, dass er das Bedürfnis verspürt hatte, über seine intimsten Gefühle zu sprechen – oder dass ihm jemand wirklich zugehört hatte.
Sie begann zu erzählen. »Nachdem Bremners Plan fehlgeschlagen war, waren wir uns alle sicher, dass der Carnivore tot war, doch dann spürte Sarah ihn in Sizilien auf, wo seine Großmutter geboren war. Dort hatte er sich mit seinen Büchern verkrochen. Mutter erzählte mir später, er sei im Lauf seines Lebens immer wieder dorthin zurückgekehrt, weil er eine starke Affinität zu Land und Leuten verspürt habe. Wie dem auch sei, Sarah fand, er sollte zu seinem Debriefing zurückgeholt werden, weil er sich dazu bereit erklärt hatte; außerdem war sie nicht davon überzeugt, dass er sich wirklich endgültig zur Ruhe gesetzt hatte. Mir hatte sie von alldem nichts erzählt. Nur Asher wusste Bescheid. Sie ließ sich mit ein paar Mann Verstärkung von der CIA mit einem Hubschrauber auf seinen Familiensitz fliegen. Was sie allerdings nicht wissen konnte, war, dass er im ganzen Haus und überall auf dem Grundstück versteckte Sprengladungen angebracht hatte. Und als er mitbekam, dass sie anrückten, jagte er alles in die Luft.«
»Und kam dabei auch selbst ums Leben?«
Liz nickte langsam. »Sarah sagte, es war grauenhaft. Wie mehrere Erdbeben hintereinander. Jedenfalls wurden nicht einmal Reste seiner Leiche entdeckt, die man hätte beerdigen können. Ich bekam also keine Gelegenheit mehr, einen letzten Blick auf ihn zu werfen. Nachdem mir Sarah das alles erzählt hatte, redete ich monatelang nicht mehr mit ihr. Ich war unglaublich wütend auf sie, weil ich dachte – und manchmal denke ich das immer noch –, dass er das nicht getan hätte, wenn ich dabeigewesen wäre. Aber dann starb Mom, und ich war allein. Was für ein Chaos. Natürlich hatte Sarah Recht damit, ihn zurückzuholen, aber sie hätte mir Bescheid sagen sollen. Wahrscheinlich fürchtete sie, ich wäre nicht damit einverstanden.«
»Er hat sich ja auch in Paris nicht zusammen mit deiner Mutter ausgeliefert, obwohl du bereits alle nötigen Vorkehrungen dafür getroffen hattest.«
»Ich weiß. Auch daran muss ich oft denken. Deshalb wurde mir bei Mutters Tod schließlich
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