Der Nautilus-Plan
die Augenbinde herunter. »Asher?« Die Dunkelheit war undurchdringlich. Es stank nach Moder und feuchtem Stein.
»Hier bin ich.« Seine Stimme kam irgendwo von rechts und hörte sich nach Schmerzen und Erschöpfung an, und – sehr untypisch für ihn – er versuchte nicht, es zu verbergen. Aber trotz alledem schwang auch noch Kampfbereitschaft darin mit. »Ich weiß zwar nicht, wo wir hier sind, aber das Meer kann nicht weit sein. Hörst du das Donnern der Brandung? Es ist lauter als der Regen oder das Gewitter.«
»Riesige Wellen, die gegen eine Felsküste unter uns krachen. Wir müssen auf einem Kliff sein.«
Rasch erkannte Sarah, dass sie sich in einem kleinen, kahlen Raum befanden. Hoch oben in einer Wand waren zwei vergitterte Fenster, durch die kalte Meeresluft hereinpfiff. Asher war auf dem Boden zusammengesunken. Es gab keine Wärmequelle, aber zwei nebeneinander stehende Feldbetten.
»Wir müssen dich unbedingt wieder warm kriegen«, sagte Liz.
»Gute Idee. Ich friere wie ein Schneider.«
Sie ergriff seine kalten Hände, zog ihn vom Boden hoch und führte ihn zu einem der Feldbetten.
Sie hob die Decken auf. »Drei für jeden von uns. Erfrieren wollen sie uns hier jedenfalls nicht lassen, zumindest noch nicht. Aber dass wir es hier allzu gemütlich haben, wollen sie auch nicht.«
Asher atmete schwer. »Ich lege mich lieber hin, bevor ich noch hinfalle.«
Sie faltete zwei Decken und breitete sie über das Feldbett. Mit zusammengebissenen Zähnen sank er darauf nieder. Mit einer dritten Decke deckte sie ihn zu. Sie hoffte, dass er es so mit seinen Kleidern warm genug hätte. Da auch sie selbst todmüde war, ging sie zum zweiten Bett, machte es auf dieselbe Art und schlüpfte unter die Decke. »Wo sind wir hier deiner Meinung nach?«
»Jedenfalls noch in Europa«, antwortete er mit bibbernder Stimme. »Ziemlich weit im Norden, würde ich sagen – weil es so kalt ist. Für einen Sommerabend in San Francisco war der Flug nicht lang genug.«
Sie nickte im Dunkeln. Verzweifeln oder Aufgeben gab es für Asher nicht. »Vielleicht sind wir in Elsinore«, sagte Sarah. »In Hamlets Schloss in Dänemark.«
Diesmal antwortete Asher nicht. Er klapperte laut mit den Zähnen, und Sarah fürchtete, dass er kurz davor war, in einen Schockzustand zu verfallen. Sie streckte die Hand aus und tastete nach seiner Schulter. Er zitterte vollkommen unkontrolliert. Erschrocken sprang sie hoch und legte ihre Decken auf ihn.
»T-t-tut m-m-mir Leid, Sarah.«
»Aber nicht doch, Schatz.« Sie kroch rasch zu ihm unter die Decken. »Ich habe doch nur einen Vorwand gesucht, um ganz nah bei dir zu sein.«
Sie schmiegte sich besorgt an ihn. Die Tatsache, dass er nichts mehr sagte, verriet ihr, wie schlecht es ihm gehen musste. Mit einem Kloß im Hals küsste sie sein kaltes Ohr und hielt ihn so lange fest umschlungen, bis er endlich zu zittern aufhörte und einschlief. Sein Atem streifte wie ein gespenstischer Hauch über ihre Gesichter.
Northumberland
Simon sagte: »Jedes Mal, wenn ich Tony Brookshires Namen sehe, steigt mir die Galle hoch. Dieser hinterhältige Dreckskerl. Immerhin ist er ein alter Freund der Familie. Trotzdem hat er deine Ermordung und Sarahs Entführung angeordnet.« Mit finsterer Miene nahm er einen Schluck Whisky.
»Soviel aus den Unterlagen des Barons hervorgeht, erweisen sich die Mitglieder der Schlange ständig solche Gefallen«, sagte Liz. »Sieh doch nur mal, wie oft sie in denselben Vorständen sitzen. Da sie schon offiziell sehr viel zusammenarbeiten, ist anzunehmen, dass sie das auch privat tun – in Form nützlicher Tipps und Informationen und selbstverständlich auch für beide Seiten vorteilhafter Geschäfte.«
»Das ist sicher richtig. Aber es kann noch nicht alles sein – Brookshire ist der einzige Politiker unter ihnen. Die fünf anderen leiten internationale Großkonzerne, die kapitalkräftiger sind als viele kleine Staaten. Allerdings sind keine zwei von ihnen im selben Industriezweig tätig. Wenn sie also gemeinsame Sache machen, ist ihr Einfluss mit Sicherheit ebenso weitreichend wie enorm.«
Liz setzte sich auf. »Hört sich das etwa nicht nach den alten Titanen an! Und sieh doch mal, wozu sie ihre Macht benutzt haben … Sie haben die Regeln aufgestellt, Strafen erlassen und Belohnungen verteilt und konnten auf diese Weise die Geschicke der Welt bestimmen und ihre Macht immer weiter ausbauen.«
»Das klingt nicht gut in meinen Ohren. Die Mächtigen der Welt ganz unter
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