Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Nautilus-Plan

Der Nautilus-Plan

Titel: Der Nautilus-Plan Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gayle Lynds
Vom Netzwerk:
während er sich das fragte, wurde ihm bewusst, dass er ihr Erscheinen sowohl fürchtete als auch herbeisehnte.
    Er sah auf die Uhr. Der vereinbarte Zeitpunkt war gekommen. Er ging zur dritten Bank von hinten und setzte sich an ihr Ende, in der Nähe einer Nische. Er steckte die Beretta unter seinen rechten Oberschenkel, wo er sofort an sie herankäme, und legte die Taschenlampe links neben sich auf die Bank.
    Er drehte sich nach der Nische um. In ihrem Schatten stand eine weiße Marmorstatue der hl. Jungfrau Maria, die in überirdischem Licht zu schimmern schien. Er war wie gebannt von ihrem Anblick und fühlte sich an seine Kindheit in London erinnert, wo er mit seinen Eltern und seinem Stiefbruder regelmäßig zur Kirche gegangen war. Er war der Jüngere von ihnen gewesen, der leibliche Sohn seiner Mutter, während sein Bruder Michael – Mick – der leibliche Sohn von Robert Childs war. Er hatte seinen Adoptivvater sehr gemocht.
    Als er sich, immer noch in Gedanken an seine Eltern, dem Altarbereich der Kapelle zuwandte, hörte er ein Geräusch, so leise, als hätte er es sich nur eingebildet. Er begann sich umzudrehen.
    »Keine Bewegung. Schauen Sie wieder nach vorn.« Die Aufforderung erfolgte auf Englisch, aber mit einem italienischen Akzent. Und es war eine Männerstimme, tief und fest. »Keine Aufregung. Wenn nichts dazwischen kommt, sind wir hier in Kürze fertig, und jeder kann wieder seiner Wege gehen.«
    Simon konnte die Umrisse einer Männergestalt erkennen, aber kein Gesicht. »Wer sind Sie?« Er wandte sich langsam ab.
    Der Fremde ging nicht auf die Frage ein. »Erinnern Sie sich an den Miller-Street-Killer? In London, als sie noch ein kleiner Junge waren?«
    Der Mann war etwa drei Meter hinter ihm, schätzte Simon. Außer Reichweite, aber so nahe, dass er sein Flüstern in der Stille der Kapelle mühelos verstehen konnte. Am liebsten hätte Simon ihn an der Kehle gepackt und die Information aus ihm herausgepresst.
    Stattdessen sagte er: »Sie haben geschrieben, mein Vater wurde ermordet? Von wem?«
    »Später. Più tardi. Geduld. Zuerst müssen Sie verstehen, wie es dazu kam.« Die Stimme gehörte einem Mann, der es gewohnt war, Befehle zu erteilen, und nicht, unterbrochen zu werden. »Wissen Sie, was es mit dem Miller-Street-Killer auf sich hatte?«
    Simon erinnerte sich. »Alle glaubten, er müsste in London aufgewachsen sein, weil er die Leichen an einigen der verborgensten Stellen der Stadt zurückließ. Einer der gefürchtetsten Mörder in der Geschichte Londons. Ich glaube, sein erstes Opfer wurde in einem Hinterhof der Miller Street entdeckt. Ich weiß noch, dass ich nicht mehr im Freien spielen durfte, weil alle Mütter Angst um ihre Kinder hatten.«
    » Bene. Der Mörder war ein Monster. Er sorgte dafür, dass die Jungen für seine widerwärtigen Spielchen bei Bewusstsein blieben, bevor sie schließlich verbluteten. Nach dem elften bestialischen Mord war der Chefinspektor sicher, den Mörder identifiziert zu haben – einen Adligen. Altes Geld, alter Titel. Dann verschwanden die Beweise. Lösten sich einfach in Luft auf. Als Sündenbock musste irgendein kleiner Beamter herhalten, der entlassen wurde. Wie es der Zufall wollte, setzte sich gleichzeitig der Assistent des Inspektors dank einer unerwarteten Erbschaft in Südfrankreich zur Ruhe, während der Inspektor selbst – er war derjenige, der für die strafrechtliche Verfolgung des Adligen eingetreten war – des unerlaubten Glücksspiels beschuldigt wurde. Als daraufhin der Verdächtige nicht mehr gerichtlich belangt werden konnte, wurde auch die Klage gegen den Inspektor zurückgezogen.« Das alles berichtete die Stimme relativ monoton wie einen auswendig gelernten Text. »Als dann jedoch ein zwölfter Junge ums Leben kam, schritt Ihr Vater ein.«
    »Ich weiß noch, dass er außer sich war. Er forderte wegen der fragwürdigen polizeilichen Ermittlungsmethoden die Einberufung eines staatlichen Untersuchungsausschusses. So viel ich mich erinnern kann, wurde jedoch nie jemand festgenommen. Überhaupt kann ich mich nicht erinnern, dass in Zusammenhang mit dem Fall sonst noch etwas unternommen wurde. Der Serienmörder muss aufgehört haben.«
    »Das ist nur zum Teil richtig. In Wirklichkeit ist Folgendes passiert: Ihr Vater nahm sich des Falls an. Es war nicht das erste Mal, dass Sir Robert mit so etwas zu tun hatte – jemand machte Druck, und eine Sache wurde unter den Teppich gekehrt. Aber nie hatte es sich bis dahin um so schwerwiegende

Weitere Kostenlose Bücher