Der Nautilus-Plan
wirbelte herum, aber alles, was er sah, waren flackernde Schatten. Er sprang auf, knipste die Taschenlampe an und stürzte aus der Kirchenbank. Er richtete den Lichtstrahl in jede Nische und jeden Winkel, aber die Kirche war leer – und totenstill.
Er stand reglos da und überlegte. Schließlich kehrte er rasch in den Gang zurück, der nach draußen führte. Er dachte über den geheimnisvollen Informanten nach: Die Stimme hatte sich wie die eines älteren Mannes angehört, sechzig, vielleicht sogar siebzig Jahre alt, mit einem leichten italienischen Akzent, obwohl sein Englisch sonst tadellos gewesen war. Simon rief sich italienische Freunde und Bekannte von früher in Erinnerung, aber keiner von ihnen schien als dieser anonyme Bote infrage zu kommen.
Dass er die Behauptungen des Unbekannten dennoch ernst nahm, lag nicht nur daran, dass er den Kosenamen kannte, den ihm sein Vater gegeben hatte – diese Information könnte er auch von einem Bediensteten oder einem Freund der Familie erhalten haben. Vielmehr war auch seine Behauptung, Sir Robert habe einen Mann mit der Liquidierung des Miller-Street-Killers beauftragt, keineswegs von der Hand zu weisen. Selbst wenn der Unbekannte gelogen hatte, was Sir Robert, den Serienmörder, den Auftragsmörder und den Erpresser anging, wusste er zumindest so viel, dass es seiner Geschichte ein gewisses Maß an Glaubwürdigkeit verlieh.
Als Simon sich dem Ausgang näherte, sah er, dass die Tür immer noch offen war. Hier, in der Enge des Kirchengangs war der Geruch von altem Stein allgegenwärtig. Simon machte die Taschenlampe aus und löschte die Kerzen. Als er darauf durch das Dunkel weitertappte, ergriff ein Gefühl von Unausweichlichkeit von ihm Besitz. Ada wollte, dass er Mitteleuropa eine Weile den Rücken kehrte. Eine Reise nach Zürich war nicht unbedingt, was sie sich darunter vorstellte, aber genau dorthin wollte er.
Er drückte sich mit dem Rücken an die Wand und spähte durch den schmalen Spalt nach draußen. Die Sonne ging auf und tauchte den Platz vor der Kirche in ein blassgoldenes Licht.
Er hielt nach Anzeichen einer Observierung Ausschau. Und nach dem Unbekannten. Der Mann musste enorm geschickt sein, um jemandem mit Simons Training und Erfahrung den Zettel in die Tasche stecken zu können, ohne dabei erwischt zu werden. Und noch etwas: Simon war fast drei Jahre unter falschem Namen untergetaucht gewesen. Seine Angehörigen glaubten, er sei weit von zu Hause fort und nicht erreichbar – in Südamerika, wo er für eine englische Ölgesellschaft arbeitete. Wie hatte der Unbekannte also herausgefunden, dass er in Bratislava war und am Abend der Demonstration auf dem Platz vor der Botschaft sein würde?
Das alles gefiel Simon ganz und gar nicht. Wachsam und tief beunruhigt, huschte er in die Morgendämmerung hinaus. Er würde den Bericht für Ada Jackson schreiben und dann nach Zürich fliegen. Vorerst würde er den Rat des Unbekannten befolgen und nichts sagen.
NEUN
Konferenzschaltung aus Brüssel
»Hier Hyperion. Irgendetwas Neues über die Operation, Kronos?«
»Hier Atlas.«
»Prometheus. Ich bin zugeschaltet.«
»Helios. Also wirklich, was für eine unmögliche Tageszeit!«
»Hier Okeanos. Schießen Sie los, Kronos.«
»Sehr gut. Dann sind also alle zugeschaltet. Hier spricht Kronos. Atlas hat darum gebeten, auf den neuesten Stand gebracht zu werden. Ich würde sagen, die Schuld für die frühe Stunde können wir ihm zuschreiben. Die Antwort auf Ihre Frage lautet: Wir haben diese erste kritische Phase erfolgreich hinter uns gebracht. Sansborough wurde ein zweites Mal angegriffen. Mac war dabei und bekam alles mit. Sie hat sich wacker geschlagen. Seiner Meinung nach ist ihr durchaus noch zuzutrauen, wofür wir sie brauchen. Danach hat er Kontakt mit ihr aufgenommen. Sie hat sich bereit erklärt zu helfen …«
Auf dem Flug nach Paris
Es war eine Gulfstream V, abhörsicher und mit vollen Tanks, das bevorzugte Fortbewegungsmittel der Mächtigen dieser Welt. Die acht Passagiersitze waren separate Drehsessel, jeder mit einem mehrkanaligen Telefon und einem Ausgang für Datenübermittlungsdienste via Satellit ausgestattet. Natürlich gab es in einer Kommunikationszentrale im Heck der Maschine auch einen leistungsstarken PC mit drahtlosem Internetzugang. Da Pilot und Co-Pilot im Cockpit beschäftigt waren, hatten Liz und Mac den Rest des schlanken, schnellen Jets für sich.
Mac machte Liz an der Mini-Bar in einem Stielglas einen Martini, sich
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