Der Nautilus-Plan
Angebot ausschlagen?«, sagte er. »Vielleicht können wir uns gegenseitig helfen. Fangen wir mit meiner Waffe an.« Er streckte die Hand aus.
Liz sah ihm zögernd in die Augen. Sie waren von demselben intensiven Blau, das sie in Erinnerung hatte, aber nachdenklicher. Seine Miene war ernst. Sie reichte ihm die Waffe mit dem Griff voran.
»Danke.« Er steckte sie ein. »Um es kurz zu machen: Ich suche nach einer Verbindung zwischen Mark und unserem Onkel, dem Carnivore.«
Sie ließ sich ihre Verblüffung nicht anmerken. »Welches Interesse hat der MI6 am Carnivore? Er ist längst tot.«
»Mit dem MI6 hat das nichts zu tun.«
»Machst du das nebenher oder hast du dich abgesetzt?«
»Spielt keine Rolle. Das ist meine Privatsache, und ich wäre dir dankbar, wenn du das respektieren würdest.«
Das hörte sich ganz nach Simon an – er war immer schon schnell in Schwierigkeiten geraten. Dennoch schien ihm genauso viel daran zu liegen wie ihr, dass nichts von all dem nach außen drang. Sie machte den Deckel wieder auf die Aktenkiste, die sie gerade durchsucht hatte, und setzte sich darauf.
»Einverstanden«, sagte sie. »Dann lass mal hören. Was ist passiert?«
»Ich war gestern beruflich in Bratislava – und nein, ich werde dir nicht erzählen, worum es dabei ging.« Er setzte sich auf eine andere Schachtel. »Spät abends steckte mir dort jemand einen Zettel mit der Aufforderung zu, in den Dom zu kommen. Dort traf ich mich mit einem Mann, dessen Gesicht ich allerdings nicht zu sehen bekam. Er behauptete, mein Vater sei von einem Erpresser in den Selbstmord getrieben worden.«
»Tatsächlich?«
Er dachte an Terrill Leamings Geständnis. »Nach allem, was ich bisher in Erfahrung bringen konnte, könnte das durchaus stimmen.«
»Der arme Sir Robert.« Sie hatte ihn sehr gemocht. Er war einer dieser typischen grundsoliden Engländer gewesen, die zu ihrem Wort standen. Zugleich hatte er jedoch auch etwas Unbezähmbares gehabt, so, als hielte er sich insgeheim für einen Freibeuter längst vergangener Zeiten, der mit Billigung der Krone ein Vermögen aus Golddublonen zusammenstahl. Die Geschichten über seine Affären waren nie bestätigt worden, und sie hatte schon vor langem beschlossen, sie als haltlose Gerüchte abzutun.
Simon schilderte ihr, wie sein Vater den Carnivore beauftragt hatte, den Miller-Street-Mörder unschädlich zu machen. »Und zwei Jahrzehnte später versuchte jemand, Dad deswegen zu erpressen.« Dann erzählte er ihr von seiner Reise nach Zürich, wo Terrill Leaming ihm gestanden hatte, dass auch er den Carnivore einmal mit einem Mord beauftragt hatte und jetzt deswegen erpresst wurde.
Liz hörte ihm wortlos zu. Deshalb also war der Besitzer der Aufzeichnungen so sehr auf Geheimhaltung bedacht – weil er sie für erpresserische Zwecke benutzte. Sie erinnerte sich, dass Terrill Leaming mit Onkel Robert studiert hatte, und auch Claude de Darmonds Namen kannte sie. Ein anderer de Darmond hatte dem Verwaltungsrat der Aylesworth Foundation angehört – Alexandre de Darmond. Die beiden waren Brüder. Sie stammten aus einer großen Bankiersfamilie, einer Dynastie wie den Rothschilds.
»Laut Terrills Aussagen«, fuhr Simon fort, »glaubte Dad, der Erpresser stützte sich bei seinen Erpressungsversuchen auf die Aufzeichnungen des Carnivore. Dieser Ansicht war auch Terrill, vor allem nachdem er eine E-Mail erhalten hatte, die offensichtlich Beweise für einen Mord enthielt, den der Carnivore im Auftrag der Bank durchgeführt hatte.«
»Was wollte der Erpresser von ihnen?«
»Im Fall von Dad, dass er seine Stimme verkaufte. Und Terrill Leaming sollte für Baron de Darmond den Sündenbock spielen.«
»Dass der Erpresser kein Geld verlangte, finde ich interessant. In dem einen Fall ging es um politische Interessen, im anderen um die Verschleierung eines Verbrechens.«
»So sehe ich die Sache auch. Der Erpresser scheint über ein beträchtliches Vermögen zu verfügen, jedenfalls groß genug, um einen Auftragskiller anheuern zu können. Wie dem auch sei, was ich will, ist ganz einfach. Ich will den Kerl finden, der meinen Dad in den Selbstmord getrieben hat. Eine der aussichtsreichsten Möglichkeiten, an ihn heranzukommen, sind die Aufzeichnungen.«
»Warum vergeudest du dann hier deine Zeit? Sprich doch mit Baron de Darmond.«
»Das geht nicht. Er ist gerade von Zürich unterwegs zu seinem Landsitz im Norden von Paris. Weshalb also bloß Däumchen drehen, bis er dort eintrifft? Deshalb ging
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