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Der Nazi & der Friseur

Der Nazi & der Friseur

Titel: Der Nazi & der Friseur Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edgar Hilsenrath
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Die brauchen nicht zurückkehren.«
    » Werden sie auch auferstehen?«
    »Ja, Hanna. Nach und nach.«
    »Und wie ist das mit uns, Itzig?«
    »Wir sind auch auferstanden. Es gibt zwei Auferstehungen.«
    »Wie ist das, Itzig Finkelstein?«
    »Die Auferstehung der Toten und die Auferstehung der Scheintoten.«
    »Dann waren wir Scheintote?«
    »Ja, Hanna. Alle Juden im Exil sind Scheintote. Sie leben ohne feste Wurzeln. Das ist kein richtiges Leben.«
    » Wie ist das, Itzig Finkelstein?«
    » Die Scheintoten kommen hierher, Hanna ... um Wurzeln zu schlagen.«
    »So wie die Bäume?«
    »Ja, Hanna . Und doch ein bißchen anders.«
    Ich sage: » Hanna ! Es gibt noch eine dritte Auferstehung. David Schapiro hat das mal angedeutet. Die Auferstehung des jüdischen Volkes! Die fängt dort an, wo die beiden ... anderen Auferstehungen ... zusammentreffen, sich festhalten und kreisen in einem seltsamen Reigen.«
    Was hab ich Ihnen erzählt? Von meiner letzten Nacht? In Pardess Gideon? In Hannas Zelt?
    Wir unterhielten uns. Dann liebten wir uns. Und dann schlief ich ein.
    Ich schlief unruhig, hatte einen seltsamen Traum, träumte ... ich hätte mich wieder verwandelt, wäre wieder Max Schulz:»Und Max Schulz, der Massenmörder ... der ging nach Jerusalem ... um dreimal symbolisch zu pinkeln ... einmal in der Grabeskirche ... ›DENN HIER HATTE DER LEIB CHRISTI GELEGEN! VON HIER WAR ER AUFERSTANDEN!‹
    einmal in der Omarmoschee ... ›DENN HIER VOM FELSBLOCK SAKHRA WAR MOHAMMED IN DEN HIMMEL GERITTEN! AUF SEINEM WEISSEN PFERD ELBURAQ!‹
    und einmal vor der Klagemauer ... ›DENN HIER, DEN LETZTEN RESTEN VON SALOMONS TEMPEL, WAR DIE HEILIGSTE STÄTTE DER JUDEN!‹
    An der Klagemauer standen Juden und weinten, alte Juden und junge Juden. Und ich stand zwischen ihnen und hatte gepinkelt. Und keiner hatte es gesehen. Denn ich, Max Schulz, bin ein geschickter Pinkler.
    Aber Weinen ist ansteckend. Das hatte ich längst festgestellt. Und als ich die andern weinen sah, da fing auch ich zu weinen an. Und plötzlich war ich nicht mehr Max Schulz. Ich war wieder ein Jude. Ich war Itzig Finkelstein.
    Und Itzig Finkelstein schämte sich, weil er gepinkelt hatte, obwohl er genau wußte, daß er nicht als Itzig Finkelstein gepinkelt hatte ... sondern: als der Massenmörder Max Schulz. Und Itzig Finkelstein wischte die Flecken von der Mauer weg und weinte bitterlich.
    Und dann ging Itzig Finkelstein, der wieder Itzig Finkelstein war, zurück in die Omarmoschee und wischte auch dort die Flecken weg oder den Fleck ... von Max Schulz ... Und dann ging er zurück in die Grabeskirche und tat dasselbe.
    Es ist schon spät am Nachmittag. Ich sitze im Speisesaal. Im Chadar Ochel. Ich schreibe. Mache ab und zu Unterstreichungen. Das ist mein letzter Tag in Pardess Gideon.
    Heute fahre ich weg. Wohin? Ich weiß es noch nicht. Irgendwo muß ich doch hinfahren? Irgendwo muß ich doch Fuß fassen! Irgendwo gibt es bestimmt ... einen ordentlichen Friseursalon ... wo ich, Max Schulz, als ordentlicher Friseur arbeiten kann!
  7.
    Ich war nochmals in Jerusalem. Aber das ist keine Stadt für einen Friseur. Konnte dort keine Arbeit finden. Suchte dann Arbeit in Petach Tikwa, in Rischon Le Zion, in Haifa, zuletzt in Tel Aviv. Ergebnis: gleich Null.
    Tel Aviv ist eine Stadt für Friseure. Dort ist was los. Dort wimmelt's von Friseurläden und Friseursalons. Ja. Das ist eine richtige Stadt. Aber Arbeit könnt' ich nicht finden.
    Und da war diese Zeitungsannonce! Saß im Kaffeehaus. In Tel Aviv. Aß ein gutes Frühstück. Hatte ja schwarze Dollars umgewechselt, verwandelt. Bezahlte gerade mit richtiger Währung ... und da sah ich die Zei tungsannonce! »Friseur dringend gesucht! Referenzen erbeten! Friseursalon Schmuel Schmulevitch! Beth David!«
    Bin gleich hingefahren. Nach Beth David. Mit meinen beiden Koffern. Und meinen schwarzen Dollars. Und einheimischen Pfundnoten und einheimischen Piastern. Der Friseursalon Schmuel Schmulevitch war der einzige in Beth David.
    Es gibt Menschen, die gleich hinrennen, wenn sie neugierig sind. Wohin? Dorthin! Zum Gegenstand ihrer Neugierde. Ich bin da anders. Ich koste meine Neugier de gründlich aus. Ziehe Spannung und Magenkrampf in die Länge. Hab zu mir gesagt... »Eigentlich müßtest du gleich zu diesem Schmuel Schmulevitch! Die Konkurrenz ist groß! Und andere Friseure können sich vorstellen, vor dir vorstellen ... und dir die Stellung vor der Nase wegschnappen.«
    Aber dann hab ich zu mir gesagt: »Itzig Finkelstein.

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