Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Nazi & der Friseur

Der Nazi & der Friseur

Titel: Der Nazi & der Friseur Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edgar Hilsenrath
Vom Netzwerk:
gemacht. Über Ihre Tätigkeit in Südrußland. Gesprächsweise. Haben groß angegeben. Habe ich recht?«
    »Kann sein. Ich kann mich nicht an alles erinnern, was ich rede, vor allem bei der Arbeit. Man redet eben.«
    »Es stimmt also? Sie waren dort? In Südrußland?«
    »Ja. Ich war dort."
    »Und was haben Sie dort gemacht? Wirklich gemacht?«
    »Geschossen hab ich!«
    »Also doch?«
    »Klar, geschossen hab ich.«
    Jankl Schwarz nickte. »Das hat uns Motke erzählt. Stimmt also?«
    »Ja. Das stimmt.«
    »Wieviele haben Sie erschossen, Herr Finkelstein?«
    »Das weiß ich nicht. Ich hab sie nicht gezählt.«
    »Und mit was für Waffen haben Sie geschossen, Herr Finkelstein? Waffen russischer Fabrikation?«
    »Nein. Deutscher Fabrikation!«
    »Gut«, sagte Jankl Schwarz. »Das ist ausgezeichnet.«
    Mir stand kalter Schweiß auf der Stirn. Können Sie sich vorstellen, was? Aber ich dachte nach. Denken konnte ich noch.
    Offenbar hielt mich Jankl Schwarz für einen ehemaligen Partisanen, der mit deutschen Beutewaffen gekämpft hatte ... auf der richtigen Seite ... nicht auf der falschen.
    »Kannst du noch schießen, Chawer Itzig?«
    Merken Sie's? Den veränderten Ton? Veränderte An rede: Chawer Itzig?
    Ich sagte: »Kann ich noch, Chawer Jankl.«
    »Gut«, sagte Chawer Jankl. »Das ist gut."
15.
    Ich könnte beschreiben, was sich noch alles im Keller abgespielt hat, ziehe es aber vor, bloß eine kurze Anmerkung zu machen:
    Nach dem Gespräch mit Jankl Schwarz wurde Kaffee serviert. Gemütliche Unterhaltung. Der Massenmörder Max Schulz schüttelte viele Hände, wurde allen vorgestellt, nur dem Motke nicht, denn den kannte er.
    Nach dem Kaffee wurde Schnaps serviert. Und dann Spießfleisch. Und dann wieder Kaffee. Gequalmt wurde tüchtig. Dort ist nämlich keiner Nichtraucher. Oder gar Vegetarier. Die sind alle normal. Schien mir so. Oder: hatte diesen Eindruck.
    Ob ich Mitglied wurde? Wollen Sie das wissen? Mit glied der berüchtigten Terrorgruppe Schwarz?
    Ich habe nichts zu bestimmen. Wer Mitglied wird, bestimmt Jankl Schwarz. Er fällt die letzte Entscheidung. Sonst niemand.
    Natürlich. Ich, Itzig Finkelstein oder der Massenmörder Max Schulz ... bin Mitglied.
    In den nächsten Wochen hörte ich nichts von Jankl Schwarz. Erst während meiner Hochzeitsnacht!
    Was habe ich gesagt? Meine Hochzeitsnacht. Ich greife voraus. Das will ich aber nicht. Lassen Sie mich also der Reihenfolge nach berichten:Und das war so:
    Ende August wurden die beiden Maniküren Rita und Irma fristlos entlassen. Der Grund: Arroganz.
    Frau Schmulevitch: »Sowas kann ich mir erlauben. Arroganz! Denn ich sitze an der Kasse. Aber wenn ein Herr einer Dame die Hand anvertraut und insbesondere die Fingernägel ... die ja bekanntlich aussagen, was ein Mensch macht oder nicht macht... dann ist er empfindlich.«
    Ja. So war das. Und da gab's eines Tages Krach. Und ein Wort brachte das andere mit sich ... wie man so sagt.
    Als Junge war ich mal im Zirkus. Und dort sah ich die dickste Frau der Welt. Und die hieß: Johanna. Hab mich damals mächtig verliebt. Denn die war noch dicker als meine eigene Mutter. Aber das ist schon lange her.
    Die neue Maniküre heißt Miriam oder Mira. Und die ist noch dicker als meine eigene Mutter. Und dicker als Johanna, die dickste Frau der Welt. Und wenn ich nicht irre, auch dicker als Fatma im Bordell Abdulla, obwohl ich die Fatma nicht gesehen habe.
    Wir waren hier ein paar Tage ohne Maniküre. Und Frau Schmulevitch war nervös. Und auch Schmuel Schmule vitch. Sie fingen sich zu zanken an.
    Frau Schmulevitch sagte: »Es stimmt schon. Zwei Maniküren sind eine gute Reklame für einen erstklassigen Salon. Aber zwei haben wir eigentlich nie gebraucht. Eine genügt ... vorausgesetzt ... daß sie nett und aufmerksam zu den Kunden ist!«
    »Da hast du recht«, sagte Schmuel Schmulevitch. »Aber wo nimmt man die her? In Beth David gibt's keine. Ich habe ja in der Lokalzeitung annonciert. Es hat sich aber niemand gemeldet."
    »Das stimmt«, sagte Frau Schmulevitch. »Niemand hat sich gemeldet.«
    »Ich werde die ›Histadrut‹ anrufen«, sagte Schmuel Schmulevitch. »Die ›Histadrut‹ in Tel Aviv.«
    »Was quasselst du da! Was ist das: ›Histadrut‹?«
    » Höchste Zeit, daß du hebräisch lernst! Die Gewerkschaft ist das!«
    » Damit will ich nichts zu tun haben!«
    »Dann eben die Agentur Mankelevitch!«
    »Mit der noch weniger. Die haben die Rita hergeschickt. Und auch die Irma.«
    So war das. Die beiden konnten sich

Weitere Kostenlose Bücher