Der Nazi & der Friseur
Hände. Irgendeiner meiner Verwandten lacht schallend auf. Ich kann das nicht vertragen. So ein Lachen. Was gibt's da zu lachen!
Ich höre Stimmen: »Er hat schön getanzt! So soll ein Bräutigam tanzen! Aber er ist besoffen!«
Verdammt noch mal. Ich bin gar nicht besoffen!
War ich dort? Oder war ich nicht dort? In Wapnjarka-Podolsk?
Und was ist mit der Presse los? Mein Name wird nicht mehr erwähnt. Nirgends. Und dabei sammle ich fleißig weiter:
Berichte über den Massenmord. Sehe andere Namen. Nur nicht meinen. Ist der nicht mehr wichtig?
Nein. Ich bin nicht besoffen. Nicht wirklich besoffen. Aber warum nicht? Warum soll ich's nicht sein?
Leerte ein paar Flaschen Wein aus ... guten Wein, wenn auch gesüßt. Fiel unter den Tisch. Wollte meinen Rausch ausschlafen.
Mira hat mich dann nach Hause gebracht.
Schmuel Schmulevitch hat uns geraten, einstweilen in meinem Hotelzimmer zu wohnen, bis die neuen Häuser im Süden der Stadt fertig sind ... und wir, Mira und ich, haben uns seinen Rat zu Herzen genommen. Ist ja geräumig genug, mein Zimmer. Nur das Bett! Zu eng! Viel zu eng!
Als Mira und ich nach den Festlichkeiten zu Hause anlangten, erwartete uns eine freudige Überraschung: ein neues Bett! Am Nachmittag verstohlen geliefert. Geschenk von Schmuel Schmulevitch und seiner Frau. Ein Riesenbett! Sowas haben Sie noch nicht gesehen. Fanden auch ein Zettelchen: »Für Itzig und Mira, herzliche Glückwünsche, Schmuel Schmulevitch und Frau.«
Sie werden natürlich wissen wollen, ob Mira noch eine Jungfrau war ... und wenn ja ... ob ich, der Massenmörder Max Schulz, dieses wichtige Geheimnis noch in der Hochzeitsnacht gelüftet habe?
Hab's versucht rauszukriegen. 7 mal hab ich's versucht. Aber 7 ist eine böse Zahl.
Hab zu mir gesagt: »Itzig Finkelstein! Du bist besoffen! Und dein Frosch schläft! Der schläft tief und fest. Der muckt nicht! Und auch die dickste Frau der Welt kann ihn jetzt nicht aufwecken!«
Bin dann eingeschlafen. Um 2 Uhr früh hat's geklopft. Zuerst leise. Dann lauter. Hab ärgerlich nachgeschaut. Wer konnte das sein? Es waren die Terroristen!
18.
Hab den Leuten von Jankl Schwarz gesagt: »Ausgerechnet heute, in meiner Hochzeitsnacht!«
Haben zu mir gesagt: »Zieh dich an, Itzig Finkelstein. Heute geht's los!«
Hab zu ihnen gesagt: »Wißt ihr was! Ich hab's mir anders überlegt. Hab keine Lust mehr dazu. Hab da mals genug geschossen. Das ist vorbei!«
Und wissen Sie, was die zu mir gesagt haben: »Los! Zieh dich an. Mach jetzt keine Geschichten!«
»Und wenn ich nicht will?«
»Befehl ist Befehl!«
Und da hab ich zu ihnen gesagt: »Das haben die damals auch gesagt!«
Ich weiß: Es ist nicht dasselbe. Die Terroristen sind Kämpfer. Echte Freiheitskämpfer! - Und damals, da habt ihr doch nur die Wehrlosen ermordet! Und die Unschuldigen! Und Frauen und Kinder und Greise!
Hab mich angezogen. Hab meine Frau zum Abschied geküßt. Hab zu ihr gesagt: »Mira! Das Vaterland ruft!«
Bin dann fortgegangen.
Wir verließen die Stadt auf Umwegen. Hinter den Bau stellen, im Süden, fing die Wüste an. Die Nacht war feucht und heiß und still. Im Wald der 6 Millionen heul ten die Schakale.
Ich ging als letzter hinter der Reihe der Männer und Frauen. Bemerkte meinen Lehrjungen Motke. Der verlangsamte seinen Schritt, wartete auf mich und trottete plötzlich neben mir her.
Sagte zu ihm: »Na, Chawer Motke. Da hab ich mir was eingebrockt.«
»Chawer Itzig. Du hast doch immer so schön geredet!«
»Ja, Chawer Motke. Das stimmt.«
Wir kamen durch ein ausgetrocknetes Flußtal. Über der Landschaft hing ein fahler Mond. Zwischen den weißen Kalkfelsen kauerten seltsame Tiere, wurden von uns aufgescheucht, huschten über den Weg. Wir stolperten über blanke Skelette - das konnten Tiere oder Menschen sein ... schwer zu sagen in der Nacht -krächzende Vögel flatterten gegen die Wände der Schlucht.
Ich sagte zu Motke: »Keiner von uns trägt ein Gewehr!«
»Gewehre kriegen wir später«, sagte Motke.
»Wo denn?«
»Im Wadi el Bakar«, sagte Motke. »Jankl Schwarz wartet dort auf uns mit dem Rest seiner Leute. Ein Flußtal weiter im Süden.« Motke lachte leise. Er sagte: »Wir kriegen auch englische Uniformen, damit wir wie Engländer aussehen.«
»Wie Engländer?«
»Wie Engländer«, sagte mein Lehrjunge Motke. »Damit wir bis an die Kasernen rankommen.«
»Was für Kasernen?«
»Englische Kasernen«, sagte Motke. »Die ›Empire- Kasernen‹ bei Tulkarem.«
»Und wie kommen wir dort
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