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Der Nazi & der Friseur

Der Nazi & der Friseur

Titel: Der Nazi & der Friseur Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edgar Hilsenrath
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allmählich.
    ›Was für Sachen?‹ fragte Veronja.
    ›Meine Sachen‹, sagte ich. ›Jeder Mensch hat doch irgendwas, was ihm gehört! Oder nicht?‹
    ›Klar‹, sagte Veronja und grinste.
    ›Ich muß die Sachen vergraben‹, sagte ich. ›Weil näm lich auch Dokumente in dem Karton drin sind. Und sonstiges Zeug, das den Iwan nichts angeht.‹ Veronja nickte. Sie sagte: ›Na schön! Aber der Karton ist naß. Wenn du ihn so vergräbst, dann verfault alles. Am besten: den Karton am Küchenherd zu trocknen. Dann geb ich dir einen dicken Sack zum Einwickeln. Und dann kannst du den Karton vergraben.‹
    Damit war ich einverstanden. Wir traten in die Kate. Und ich stellte den Karton neben den Küchenherd.
    ›Mach ihn mal auf‹, sagte Veronja. ›Zeig mir doch mal, was du dort drin hast.‹
    ›Auch Munition‹, sagte ich. ›Und Sprengstoff! Ich kann den Karton jetzt nicht aufmachen. Der muß erst mal trocknen. Weil die nasse Pappe an der Zündschnur klebt. Kann sonst explodieren.‹
    Ich wußte nicht, ob Veronja mir glaubte, bemerkte aber, daß sie unsicher wurde.
    ›Das stimmt doch nicht - wie?‹ sagte Veronja.
    ›Doch‹, sagte ich. ›Das stimmt.‹
    ›Und wozu brauchst du Munition und Sprengstoff ?‹
    ›Brauch ich nicht mehr‹, sagte ich. ›Aber der ist eben dort drin. Hab eben so 'n Zeug eingepackt... so wie wir alle. Du weißt ja, wie das ist ...‹
    Veronja sagte nichts mehr. Sie schob den Karton tiefer unter den Herd ... mit dem Fuß ... aber vorsichtig ... murmelte irgend etwas zu Katjuscha, der Ziege, stocherte mit dem Feuerhaken im Ofenloch herum ... warf trockene Zweige in die Glut ... pustete ... und begann dann, Kartoffeln zu schälen.
    Als es dunkelte, setzten wir uns zu Tisch, um ... wie sonst ... Borschtsch, Kartoffeln und Brot zu essen ... und Wodka zu trinken. Wir tranken mehr als üblich von dem Wodka und redeten belangloses Zeug.
    Einmal, im Laufe des Gesprächs, sagte Veronja: ›Du willst wohl dem Iwan einen letzten Denkzettel verpassen ... mit dem Sprengstoff und der Munition?‹
    Ich sagte nichts und schüttelte bloß den Kopf.
    ›Das würd' ich dir auch nicht raten‹, sagte Veronja. ›Mit dem Iwan ist nicht zu spaßen. Laß den Iwan in Ruhe. Und sei froh, daß er dich in Ruhe läßt.‹
    Ich sagte: ›Bin ich auch. Für mich ist der Krieg zu Ende.‹
    ›Weißt du‹, sagte Veronja ... ›heute Nachmittag glaubte ich beinahe, daß du getürmt bist ... weil du so lange weg warst ... Aber dann hab ich zu mir gesagt: nein, so dumm ist der nicht. Ohne Lebensmittel ... ohne Wegzehrung ... nein, so dumm ist der nicht! Und er weiß doch genau, daß er nicht in die Dörfer kann, weil die Bauern ihn totschlagen!‹
    ›Da hast du recht, Veronja‹, sagte ich.
    ›Deutschland liegt in den letzten Zügen‹, sagte Veronja. ›Im Dorf spricht man davon ... daß der Krieg in ein paar Wochen vorbei ist. Nicht nur für dich, Max Schulz. Auch für die anderen.‹
    ›Ja‹, sagte ich. ›Es ist alles im Eimer.‹
    Veronja nickte und sagte: ›Was für ein Eimer?‹
    ›Im Eimer vom Iwan‹, sagte ich. ›Der hat einen gro ßen Eimer.‹
    ›Ja‹, sagte Veronja. ›Da hast du recht. Und was ist mit den Eimern der Amerikaner und der Engländer und der anderen?‹
    ›Das weiß ich nichts sagte ich.
    ›Das sind bessere Eimer für dich‹, sagte Veronja.
    Ich nickte, trank Wodka, grinste schwach und sagte: ›In irgendeinen Eimer werde ich reinspringen und ein fach verschwinden. Aber bestimmt nicht in den Eimer vom Iwan.‹
    ›Du mußt so lange durch die Wälder gehen‹, sagte Veronja ... ›bis du den richtigen Eimer findest. Der Iwan ist nicht überall.‹
    ›Ja‹, sagte ich. ›Das stimmt.‹
    ›Gib mir morgen deine Uhr und die Stiefel‹, sagte Veronja ... ›und vielleicht noch ein paar gute Sachen aus dem Karton ... hast du noch andere Stiefel drin? ... und sonst noch was zum Verkaufen? ... und ich werde dir genug Lebensmittel auf den Weg mitgeben ... Vorrat für ein paar Wochen ... oder mehr ... Dann kannst du abhauen.‹
    ›Ja‹, sagte ich.
    ›Und irgendeinen Eimer finden, wo du reinspringen kannst.‹
    Ich sagte: ›Ja.‹
    Und Veronja sagte: ›Aber das wird dir nichts nützen. Denn Gott ist überall. Du kannst dich nicht vor ihm verstecken!‹
    Und ich sagte: ›Das wird sich herausstellen.‹
    Und Veronja sagte: ›Ja.‹
    Und ich sagte: ›Ja.‹
    Und Veronja sagte: ›Dann hau ab! Oder warte lieber noch ein Weilchen ... bis April vielleicht ... wie? Erfrie ren kannst du

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