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Der Nebel weicht

Der Nebel weicht

Titel: Der Nebel weicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Poul Anderson
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aus den Berg­wer­ken kam, hat­ten die Stahl- und Me­tall­ar­bei­ter nichts mehr zu tun, selbst wenn sie ar­bei­ten woll­ten. Rech­ne­te man noch die durch fehl­ge­lei­te­te Emo­tio­nen ent­stan­de­nen Stö­run­gen und Un­ru­hen hin­zu und …
    Ei­ne nack­te Frau, die einen Su­per­markt-Korb trug, kam die Stra­ße her­un­ter. Co­rinth nahm an, daß sie zum ers­ten­mal in ih­rem Le­ben an­ge­fan­gen hat­te, selbst zu den­ken, und da­bei zu dem Schluß ge­kom­men war, es sei al­bern, im Som­mer Klei­der zu tra­gen, und den Um­stand aus­ge­nutzt hat­te, daß die Po­li­zei sich um drin­gen­de­re Auf­ga­ben küm­mern muß­te. Für sich al­lein be­trach­tet war das nicht schlimm, aber als Sym­ptom ließ es Co­rinth er­schau­ern. Je­de Ge­sell­schafts­ord­nung be­ruht not­wen­di­ger­wei­se auf mehr »oder we­ni­ger will­kür­li­chen Re­geln und Ver­bo­ten. Zu vie­len Men­schen war plötz­lich klar ge­wor­den, daß die Ge­set­ze will­kür­lich und oh­ne ei­gent­li­chen Sinn wa­ren, und gin­gen jetzt da­zu über, all die­je­ni­gen zu über­tre­ten, die ih­nen nicht paß­ten. Ein jun­ger Mann saß auf ei­ner Tür­schwel­le, die Ar­me um die bis un­ters Kinn ge­zo­ge­nen Knie ge­schlun­gen. Er wieg­te sich lang­sam hin und her und wim­mer­te lei­se. Co­rinth blieb ste­hen. „Was ist los?“ frag­te er.
    „Angst.“ Die Au­gen wa­ren hell und trü­be. „Es ist mir plötz­lich klar ge­wor­den: Ich bin al­lein.“
    Co­rinths Ver­stand hat­te die Ant­wort schon for­mu­liert, aber er hör­te sich zu­erst die pa­ni­k­er­füll­ten Sät­ze an: „Al­les, was ich weiß, al­les, was ich bin, ist hier, in mei­nem Kopf. Al­les exis­tiert nur da­durch für mich, daß ich es weiß. Und ir­gend­wann wer­de ich ster­ben.“ Ein dün­ner Spei­chel­fa­den rann aus sei­nem lin­ken Mund­win­kel. „Ir­gend­wann wird die große Dun­kel­heit kom­men, ich wer­de nicht mehr sein – nichts wird mehr sein! Sie mö­gen viel­leicht noch exis­tie­ren, für sich – ob­wohl ich nicht weiß, ob Sie nicht ein Phan­ta­sie­ge­bil­de von mir sind –, für mich aber wird nichts mehr sein, nichts, nichts. Ich wer­de so­gar nie ge­we­sen sein.“ Trä­nen tra­ten in die glanz­lo­sen Au­gen.
    Wahn­sinn – ja, das war ein we­sent­li­cher Grund für den Kol­laps. Es muß­te Mil­lio­nen ge­ben, die nicht in der La­ge wa­ren, die plötz­li­che Er­wei­te­rung und Ver­tie­fung der Er­kennt­nis­fä­hig­keit zu er­tra­gen. Sie wa­ren nicht fä­hig, ih­re neue Kraft zu be­wäl­ti­gen, und das hat­te sie ver­rückt ge­macht.
    Er schau­der­te in der hei­ßen, un­be­weg­li­chen Luft.
    Das In­sti­tut war wie das Pa­ra­dies. Als er es be­trat, hielt ein Mann Wa­che, der ne­ben sich ei­ne Ma­schi­nen­pis­to­le und auf sei­nem Schoß ein Che­mie­lehr­buch lie­gen hat­te. Das Ge­sicht blick­te Co­rinth ernst an. „Hal­lo.“
    „Hat’s Är­ger ge­ge­ben, Jim?“
    „Bis jetzt noch nicht. Aber man kann nie wis­sen – bei all den Plün­de­rern und Fa­na­ti­kern.“
    Co­rinth nick­te, fühl­te, wie et­was von der in­ne­ren Käl­te schwand. Es gab noch im­mer ra­tio­nal den­ken­de Men­schen, die sich nicht durch plötz­li­che Ver­än­de­run­gen ir­ri­tie­ren lie­ßen, son­dern still ih­re Ar­beit ver­rich­te­ten.
    Der Lift wur­de von ei­nem sie­ben­jäh­ri­gen Jun­gen be­dient, dem Sohn ei­nes In­sti­tut­s­an­ge­stell­ten; die Schu­len wa­ren ge­schlos­sen.
    „Hi, Sir“, sag­te er fröh­lich. „Ich ha­be auf Sie ge­war­tet. Wie um al­les in der Welt ist Max­well auf sei­ne Glei­chun­gen ge­kom­men?“
    „Was?“ Co­rinths Blick fiel auf ein Buch, das auf dem Sitz lag. „Oh, du be­schäf­tigst dich mit Ra­dio­tech­nik, wie? Ca­do­gan ist für den An­fang ziem­lich schwie­rig, du soll­test …“
    „Ich hab’ Schalt­plä­ne an­ge­se­hen, Mr. Co­rinth. Ich möch­te wis­sen, warum sie funk­tio­nie­ren, aber Ca­do­gan führt hier nur die Glei­chun­gen an.“
    Co­rinth nann­te ihm ein Werk über Vek­tor­rech­nung. „Wenn du da­mit fer­tig bist, kannst du wie­der zu mir kom­men.“ Er lä­chel­te, als er den Auf­zug ver­ließ, aber sein Lä­cheln schwand, als er den Kor­ri­dor ent­lang­ging.
    Le­wis

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