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Der Neid eines Fremden

Der Neid eines Fremden

Titel: Der Neid eines Fremden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Caroline Graham
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hinter einem blau-weiß gestrichenen Interrent-Bus hängen. Sie brauchten eine Viertelstunde, um zur Morning Crescent zu kommen.
      »Wir werden dort niemals ankommen.« Als sie im Eßzimmer geredet, sich die Route angesehen und die Fahrtstrecke geplant hatten, war Rosa zu beschäftigt gewesen, doch jetzt, als sie im dichten Verkehr festsaßen, konnte sie die schrecklichen Bilder, die sich in ihrem Kopf zu formen begannen, nicht mehr zurückhalten. Madgewick, der grausam behandelt wurde, Madgewick tot. Sie starrte auf die Schaufenster von Marks und Spencer's: »Neunundneunzig Prozent unserer Waren werden in England hergestellt« - was die Erwartungen an eine gute Mahlzeit zunichte machte. Dann dachte sie an das Abendessen des vorangegangenen Tages und ging jeden einzelnen Handgriff während der Vorbereitungen durch. Sie verteilte gerade geröstete Nüsse auf dem kalten Zitronensouffle, als Duffy sagte:
      »Okay. Jetzt mußt du aufpassen.«
      Sie passierten den großartigen, in grellem Rosarot gehaltenen Prachtbau von St. Pancras. Einen Augenblick später schrie Rosa:» Da! Da!«
      »Um Himmels willen!« Duffy lugte in Richtung ihres ausgestreckten Arms, der über den unteren Teil seines Gesichts geschossen war. »Wenn du das innerhalb der nächsten Stunde ein paarmal wiederholst, bin ich das reinste Nervenbündel.«
      »Tut mir leid. Wo kannst du parken?«
      »Nirgendwo.« Wieder sah er aus dem Fenster. »Meinst du >Alfs Fisch, Pommes frites, Aal, Püree - Alles heiß serviert« ? Darüber sind nur Anwaltspraxen.«
      »Oh.« Sie sank in ihren Sitz zurück.
      Innerhalb der nächsten halben Stunde, in der sie zehn Straßen, eine davon versehentlich sogar zweimal, entlanggefahren waren, entdeckten sie fünf Imbißstuben. Eine lag unter einer Spielhölle, eine andere unter einer Anwaltspraxis und eine dritte unter einem Kredithai, der taktvoll in Goldbuchstaben für sich warb: »Ledbury Finanzierungshilfe«. Die beiden anderen kamen für sie in Frage. Eine davon war in der Donelly Street, einer Seitenstraße der Caledonian Road. Sie parkten gleich davor im Halteverbot, stiegen aus und sahen sich nach einem Verkehrspolizisten um. Keiner in Sicht.
      »Komm«, sagte Duffy. »Es wird nicht länger als fünf Minuten dauern.«
      In den Fenstern oberhalb des Imbisses hingen schneeweiße Gardinen, und in einem davon stand ein Farn in einem blanken Messingtopf. Neben dem Ladeneingang war eine offene Holztür, die auf eine Treppe ohne Läufer führte. Es gab weder Klingeln noch Namensschilder. Sie gingen die Treppe hinauf, kamen an eine zweite Tür und klopften an. Sie warteten, was Rosa als eine halbe Ewigkeit empfand. Im Raum waren Geräusche zu hören. Wieder klopfte Duffy.
      »Ich komm' ja schon.« Schlurfende Schritte näherten sich der Tür, und ein sehr alter Mann öffnete ihnen. Das Zimmer hinter ihm bot einen erstaunlich ordentlichen und sauberen Anblick, was auch für den alten Mann selbst galt. »Was wollen 'Se denn?«
      »Ähem ... wir suchen nach einem jungen Mann.«
      »Junge Männer gibt's hier nich'. Und junge Frauen auch nicht, is' eigentlich 'ne Schande.« Ein im Keim erstickter Laut zwischen einem Keuchen und einem Pfeifen hätte als ein Lachen gelten können. Mit einer Unbekümmertheit, die vor allem Kindern und älteren Menschen zu eigen ist, fügte er hinzu: »An meinem nächsten Geburtstag werd' ich vierundachtzig.«
      »Alles, was wir über ihn wissen«, sagte Rosa, »ist, daß er über einem Imbiß in Islington wohnt.«
      »Ich wohne über einem Imbiß in Islington.«
      »Naja - jedenfalls vielen Dank.« Rosa begann, sich abzuwenden.
      »Ich versorg mich allein. Alles blitzblank. Wollen Sie sich mal umsehen?« Er öffnete die Tür ein wenig weiter.
      Duffy meinte: »Das ist sehr freundlich von Ihnen, aber ich fürchte, wir können nicht bleiben. Ich stehe im Halteverbot.«
      »Sie wollen mich in ein Altersheim stecken, da muß man auf Sauberkeit achten. Sobald man nur ein bißchen Unordnung einreißen läßt, hat man sie gleich am Hals.«
      Rosa sagte beschwichtigend: »Bei Ihnen sieht's wirklich hübsch aus.«
      »Sind Sie von der Fürsorge?«
      »Nein.«
      »Nun, ganz wie Sie meinen.« Und er schloß die Tür.
      Als sie die Treppe hinuntergingen, sagte Rosa: »Armer alter Kerl.«
      »Nicht im geringsten. Ich hoffe, ich bin noch so fit wie er, oder überhaupt noch fit, wenn ich vierundachtzig bin. Schnell!«
      Der

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