Der Neid eines Fremden
Lage, die Leiche zu identifizieren, Mr. Duffield?«
Duffy wurde noch blasser und wirkte verängstigt. Der Anblick, der sich ihm durch das Schlafzimmerfenster geboten hatte, würde ihn den Rest seines Lebens nicht mehr loslassen. Bei der Vorstellung, das Zimmer tatsächlich betreten und sich die Leiche genau ansehen zu müssen, wurde ihm übel.
»Natürlich können wir Sie nicht dazu zwingen. Ihre Eltern -«
»Wenden Sie sich um Gottes willen nicht an ihre Eltern!« Die Vorstellung von einem ältlichen Ehepaar, das sich gegenseitig abstützte, während es auf die Überreste seiner Tochter hinabsah, war mehr, als Duffy ertragen konnte. Er erhob sich. »Einverstanden. Ist sie ... die Leiche ... immer noch hier?«
»Ja.« Pharaoh wies ihm den Weg nach oben. Vor dem Zimmer stand ein junger Constable; die Tür hatte man an die Flurwand gelehnt. Der Raum war voller Männer, die ruhig und gewissenhaft ihrer Arbeit nachgingen. Obwohl es ein kalter Tag war, lag ein warmer, metallischer Geruch in der Luft, den Duffy als Blutgeruch identifizierte. Der Pathologe sah zu ihnen herüber.
»Ich bin hier sofort fertig.« Er trat vom Bett zurück. Alan Pharaoh trat zur Seite.
Duffy ging quer durch den Raum, wandte dann unter großen Mühen, als werde er gegen seinen Willen dazu gezwungen, den Kopf, um sich das anzusehen, was dort lag. Pharaoh beobachtete sein aschfahles, von ungläubigem Staunen und Entsetzen erfülltes Gesicht. Jetzt, als er einmal hingesehen hatte, meinte er, den Blick nicht mehr abwenden zu können. Immer wieder starrte er auf die Leiche, während ihm Schweißperlen über das Gesicht rannen. Er flüsterte:
»... Ich weiß nicht... man kann es nicht genau erkennen ... ja ... ich glaube schon ... oh, mein Gott...« Er drehte sich um und rannte, den jungen Constable rücksichtslos zur Seite stoßend, aus dem Raum. Unten im Wohnzimmer bestätigte er, daß die Leiche, die er gesehen hatte, Sonia Marshall war.
Danach redete Chief Inspector Pharaoh mit dem Fensterputzer. Die anfängliche Begeisterung, in einen Mordfall verwickelt zu sein, hatte nachgelassen, und er war zu seinen ursprünglichen Klagen zurückgekehrt. Nachdem er bestätigt hatte, nur durch Zufall in die Angelegenheit verwickelt worden zu sein, bat ihn der Inspektor, seine Aussage zu unterschreiben, und ließ ihn dann gehen.
Der Sergeant kam in den Raum. »Mr. Christoforou macht einen Kaffee, Sir.«
»Schön. Das wird mir guttun. Ich möchte jetzt mit Mrs. Gilmour sprechen.«
»Dreißig Pence schwarz und vierzig mit Milch und Zucker.«
»Wie bitte? Oh - schwarz.« Der Kaffee, der dann gebracht wurde, sah aus wie Schlammbrühe. Der Löffel blieb im Bodensatz stecken.
Der Sergeant nickte. »Ich glaube, er ist nicht englisch, Sir.«
Der Inspektor sah zu Mrs. Gilmour hinüber und war überrascht. Obwohl sie sich offensichtlich bemühte, ihren Gesichtsausdruck zu beherrschen, hatte er den Eindruck, daß sie vor Freude überströmte, fast in Hochstimmung war. Wenn Duffield ihn richtig informiert hatte, schien sie nicht nur keinen Anlaß zur Freude zu haben, sondern hätte das Gegenteil der Fall sein müssen. Ein Mann, der ihr Leben bedrohte, hatte jemanden umgebracht, war verschwunden und lief wahrscheinlich irgendwo in London frei herum. Er ging davon aus, daß sie die Situation richtig erfaßt hatte, wollte aber sichergehen und eröffnete deshalb die Unterredung mit dem Satz:
»Mr. Duffield hat das tote Mädchen als Ihre Sekretärin, Sonia Marshall, identifiziert.«
Ein langes Schweigen, dann: »... Mädchen ...?« Es war nur ein leises Piepsen. Er beobachtete ihr Gesicht genau. Sah, wie es sich veränderte. Nein. Sie hatte nicht gewußt, was geschehen war. »Ich verstehe nicht recht.«
»Sie wissen doch sicher, daß hier ein Mord stattgefunden hat.«
»Natürlich ... nein ... Das heißt..., ich wußte, daß oben eine Leiche liegt. Ich dachte, er hätte sich umgebracht.«
»Ich fürchte, das ist nicht der Fall. Wäre es eindeutig ein Selbstmord, würden wir all dies nicht machen.« Mit einer Handbewegung umfaßte er den Polizisten mit dem Notizblock, den Sergeant, den Raum im oberen Stockwerk.
»Natürlich nicht. Es tut mir leid. Sie müssen mich für sehr dumm halten.«
»Keineswegs. Wir alle suchen nach Möglichkeit das zu glauben, was wir nur zu gern glauben wollen. Mr. Duffield ist es zweifellos schwergefallen, Ihnen Ihre Illusionen zu
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