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Der Neid eines Fremden

Der Neid eines Fremden

Titel: Der Neid eines Fremden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Caroline Graham
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Pinienholz. Rosa streifte ihren Mantel ab und ging in die Küche hinunter, um sich einen Kaffee zu machen. Es war angenehm, wieder zuhause zu sein.
     
    Fenn hatte beschlossen, Mr. Christoforou, seinen Vermieter, zu fragen, ob er dessen privates Telefon benutzen könne, um Rosa anzurufen. Er hatte sich bereits im Studio erkundigt und erfahren, daß sie sich vor einer Stunde auf den Heimweg gemacht hatte. An ihre Nummer zu kommen, war einfacher gewesen, als er erwartet hatte. Fast einfacher, als an Sonia heranzukommen, und das sollte etwas heißen. Als sie hinausgegangen war, um das Essen zu besorgen, hatte sie zwar ihr Portemonnaie und ihre Schlüssel mitgenommen, doch die Handtasche hatte sie zurückgelassen. Darin hatte er ihr Adreßbuch gefunden. Auf die Rückseite war ein Snoopy gedruckt, was angesichts ihres Alters ohnehin schon erbärmlich genug war, doch als er das Buch aufschlug... Aufgelistet waren die Adresse eines Ehepaars, von dem er annahm, daß es ihre Eltern waren, die Nummer der Zugauskunft von Euston (das Paar lebte in den Midlands), eine nahegelegene chemische Reinigung, eine in Tulse Hill wohnende Frau, das National Theatre, ein Supermarkt und die Anschrift von Rosa. Das karge Gerüst eines einsamen Lebens. Er schrieb sich Rosas Namen und Adresse ab und steckte das Buch in die Tasche zurück.
      Er hätte sich davonmachen können, bevor sie zurückkam, aber da war ja noch sein Plan. Sonias Brief hatte er weiß Gott nicht vergessen, auch wenn er ihn sofort vernichtet hatte. Er würde sehr zuvorkommend sein, den Liebhaber spielen, herausholen, was er konnte, und dann, wenn sie wirklich in ihn verliebt war (was, nach Samstagabend zu urteilen, nicht mehr lange dauern konnte), würde er sie fallenlassen wie eine heiße Kartoffel. Der Gedanke daran, wie er vorgehen und wie sie reagieren würde, ließ sein Herz aufgehen wie beim Anblick eines kleinen Goldklumpens. Wenn er jetzt morgens erwachte, überkam ihn zunächst ein wohliges Gefühl, über das er lächeln mußte, sobald er den Grund identifiziert hatte.
      In den letzten Wochen hatte er unterdessen abwechslungsreich gegessen - soll's nächstes Mal chinesisch oder indisch sein - und rücksichtslos Liebe machen können. Wie er vermutet hatte, war sie fast vollkommen unerfahren. Er erinnerte sich lebhaft an den Ausdruck des Erstaunens in ihrem Gesicht und an das runde O ihres Munds, als er das erste Mal in sie eingedrungen war. Und soviel Entgegenkommen! Mit Sonia könnte er sein gesamtes Bücherregal durchgehen, und sie hätte immer noch nicht genug. Allerdings beunruhigte ihn der Gedanke, daß er ihr fast verraten hatte, wo er wohnte. Es war nicht seine Art, unvorsichtig zu sein, aber in dem Moment war er abgelenkt gewesen (er hatte mit seiner Zunge nach dem Puderzucker geschleckt, der ihr in den Ausschnitt gefallen war). Natürlich hatte er ihr nicht seine ganze Adresse verraten, und zudem glaubte er nicht, daß sie wirklich zugehört hatte. Sie hatte ihn einfach dämlich und abgöttisch angelächelt. Dennoch war es ihm eine Warnung, sich zu konzentrieren.
      Bevor er sein Zimmer verließ, ging er zum Tisch, um sich Rosas Photo anzusehen. Zärtlich legte er seine Fingerspitzen zwischen ihren glänzenden Lippen an die Stelle, an der das Messer einen Riß hinterlassen hatte. Wie verletzlich sie wirkte. Er liebte solche Frauen; sie waren schön und erfolgreich, hatten sich aber weder in skrupellose Karrierefrauen verwandelt noch von der Wirklichkeit abgewandt. Er wußte, daß sie miteinander auskommen und Freunde werden würden. Er sah auf die Uhr. Jetzt müßte sie zu Hause angekommen sein. Er rannte in die Diele, nahm Mr. Christoforou zuliebe den Hörer von der Gabel, stieß verzweifelte Laute aus und ging in den Laden.
      »Das Telefon ist kaputt, Mr. Christoforou. Ich muß ein ziemlich wichtiges Gespräch führen. Könnte ich Ihr Telefon benutzen? Ich lege das Geld auf den Tisch.«
      »Aber sicher.« Es war ja nicht so, als wäre es dem Jungen zur Gewohnheit geworden. Er hatte zuvor noch nie darum gebeten. »Haben Sie's gemeldet?«
      »Ja. Ich hab' den Stördienst angerufen.«
      Fenn haßte Mr. Christoforous Wohnzimmer und betrat es nur in Ausnahmefällen. Man fühlte sich, als wäre man in einer buntbemalten, stickigen Kiste eingeschlossen. Die Wände waren mit primitiven Gemälden und Christusbildern in den verschiedensten Stadien der Kreuzigung überhäuft. Die Christoforous waren griechisch-orthodox. Auf den buntgemusterten und

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