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Der Neid eines Fremden

Der Neid eines Fremden

Titel: Der Neid eines Fremden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Caroline Graham
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ich.«
      »Das geht nicht, Rosa. Dazu ist es jetzt zu spät. Das Los ist auf Sie gefallen. Es gibt keine Möglichkeit, zurückzugehen und von vorn anzufangen. Sie sind diejenige, die mir behilflich sein wird. Wann kann ich bei Ihnen vorbeikommen?«
      Gütiger Himmel. Rosa versuchte, Geduld zu bewahren. Der arme Kerl schien nicht ganz beisammen zu sein.
      »Hören Sie, es tut mir wirklich leid, aber ich kann tatsächlich nichts für Sie tun. Ich bin nur eine Rundfunkangestellte. Ich habe beim Sender keinerlei Einfluß. Ich habe keine Entscheidungsgewalt. Weder darüber, ob jemand angestellt, noch ob er gefeuert wird. Ich mache nur zweimal wöchentlich meine Sendung.«
      »Tun Sie nicht so, Rosa. Ich bin nicht einer Ihrer üblichen Hörer. Eines Tages werde ich dort sein, wo Sie bereits sind. Und wie die Dinge stehen, liegt dieser Tag in nicht allzu weiter Ferne, das kann ich Ihnen flüstern. Verschonen Sie mich bitte mit diesem Unsinn über ihr Moderatorendasein. Ich bin au fait mit der Medienszene. Ich weiß, was da gespielt wird.« Als sie schwieg, fuhr er fort: »Wie wär's, wenn ich am Freitag nach der Sendung zu Ihnen ins Studio käme? Wir könnten uns einen kleinen Aperitif genehmigen.«
      »Es hat keinen Zweck, diese Unterhaltung fortzusetzen ... Ich habe Ihnen geholfen, soweit es in meinen Kräften steht. Wollen Sie mich jetzt bitte entschuldigen?«
      Rosa legte auf. Erst als sie eine halbe Stunde später mit dem Auto vor der Schule stand, begann sie sich zu fragen, wie um alles in der Welt der Mann an ihre Telefonnummer gekommen war.
     
    Fenn wußte nicht mehr, wie er es geschafft hatte, den Hörer auf die Gabel zu legen, sich bei Mr. Christoforou zu bedanken und in sein Zimmer zurückzukehren. Seine Knie, sein ganzer Körper zitterten. Er bewegte sich wie ein alter Mann. Er schäumte vor Wut. Es war, als würde er von einem Hurricane erfaßt und unerbittlich durch die Luft gewirbelt. Er konnte sich nicht dagegen wehren. Im Vergleich hierzu glich seine frühere Verärgerung über Sonia einem zahmen Tier.
      In der Mitte des Raums sank er auf die Knie und wartete, bis sich der Aufruhr gelegt hatte. Es konnte keine Rede davon sein, die verschiedenen Emotionen zu entwirren oder sich über seine Gefühle klarzuwerden. Sobald er die Augen schloß, sah er sich von einer roten Flutwelle bedroht, die bereit war, auf ihn niederzustürzen und ihn zu zermalmen. Ihm war übel. Die Zeit schien stillzustehen. Sein Hirn war allein von Emotionen beherrscht. Er war nicht in der Lage, vernünftig zu denken.
      Als sich der Sturm endlich gelegt hatte, an ihm vorbeigezogen war, setzte er sich auf - und war erstaunt, daß er nicht erschöpft und zerschlagen war, sondern sich konzentriert und kalt und stark wie eine Klinge fühlte, die gerade in der Esse geschmiedet worden war.
      Unten im Wohnzimmer hatte er, kurz bevor der Sturm ausgebrochen war, einen Augenblick wirklicher Harmonie zwischen Rosa und sich selbst erlebt. Ein wahres Zusammentreffen von Gefühlen. Er wußte, daß Rosa es ähnlich empfunden hatte; das hatte er genau gespürt. Sie hatte es vorgezogen, diesen Augenblick zu vergessen. Sie hatte ihn zurückgewiesen, und jetzt war alles zu spät. Das hatte sie sich selbst zuzuschreiben. Es würde ihr nichts nützen, in Zukunft auf diesen Moment zurückzukommen. Ihn anzuflehen: »Bitte, Fenn - erinnerst du dich nicht daran, wie es war, als wir zum ersten Mal miteinander geredet haben ... Gib mir noch eine Chance ... bitte...«
      Als er sich von den Knien erhob, fühlte er sich wie ein junger Krieger, der kurz vor einem Feldzug vom Priester den Segen erhalten hatte. Er glühte vor Begeisterung für die Sache der Gerechtigkeit, fühlte sich zugleich aber demütig. Er stand unter dem Schutz der göttlichen Allmacht. Sein Leben, sein Geist entwirrten sich auf wundersame Weise. Er ging zum Tisch hinüber und nahm vorsichtig, fast zärtlich, Rosas Bild in die Hand. Er war sowohl sexuell als auch emotional erregt, hatte aber alles unter Kontrolle. Tief in seinem Innern lag ein Zentrum bar jeglichen menschlichen Gefühls, das seine Handlungen dirigierte. Dieser Autorität übergab er sich ohne Zögern, fast mit Erleichterung. Jetzt war er frei von Verantwortung. Was sein sollte, würde sein.
      Er legte das Photo auf den Tisch, befestigte es an allen vier Ecken mit Reißzwecken, zog sein Messer hervor und machte den ersten Schnitt. Einen schwungvollen Schnitt, mit dem er ihr ohne Zögern und im

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