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Der Neid eines Fremden

Der Neid eines Fremden

Titel: Der Neid eines Fremden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Caroline Graham
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vollen Bewußtsein seiner Stärke durch die Kehle fuhr.
     
    »Immer sagst du, du hättest keine Zeit.«
      »Weil ich nie Zeit habe.«
      »Du bist genauso gebaut wie wir anderen auch, Rosa. Manchmal muß man auftanken, sonst kommen die Räder zum Stillstand.«
      Duffy hockte auf dem Rand von Rosas Schreibtisch und schwang in einer Hand den Brieföffner. Sie leerte die Umschläge und sortierte die Briefe in verschiedene Stapel.
      »Wenn ich jetzt mit dir in die Kantine gehe, werden wir erst zu Mittag essen, dann einen Nachtisch zu uns nehmen, dann einen Tee trinken, uns dann ein bißchen unterhalten und dann ist es drei Uhr. Wenn ich mir zuhause etwas zurechtmache, habe ich um diese Zeit bereits anderthalb Stunden gearbeitet.«
      »Dieser verflixte Michael Kelly. Er weiß nicht zu schätzen, wieviel Zeit und Liebe du auf ihn verwendest. Er ist seit Jahren tot. Wohingegen jetzt an deiner Seite das Herz eines lebendigen Menschen pulsiert; ein reifer Mann, der vor Bewunderung für dich entbrannt ist, voller Bedürfnisse und Sehnsüchte steckt und sich nichts sehnlicher wünscht, als dir sein Herz zu Füßen zu legen.«
      »Das hört sich ziemlich verwirrt an.«
      Lächelnd sah sie Duffy an. Sie konnte nicht einschätzen, wie ernst seine Beteuerungen gemeint waren, wußte aber, daß es in jeder Hinsicht ein Fehler wäre, ihn ernstzunehmen. Alles wäre wesentlich einfacher, wenn sie ihn tatsächlich nicht leiden könnte. Er hatte einen trockenen Humor, den sie als erfrischend empfand, und war eigentlich sehr freundlich. Wäre ihre Liebe zu Leo nicht, würde sie ihn wahrscheinlich sehr anziehend finden; was auf andere Frauen aus dem Studio unbestritten zutraf. Er hatte honiggelbes Haar, das sich an den Schläfen lichtete und in einem seltsamen Kontrast zu seiner Haut stand, die durch die vielen Außenaufnahmen eine gleichmäßige, karamelfarbene Tönung angenommen hatte. Seine hellblauen Augen waren erstaunlich klar, wenn man bedachte, welche Unmengen von Irish Whisky er bei eben diesen Außenaufnahmen als sogenannte Anwärmer in sich hineinkippte. Er hatte einen leichten irischen Akzent, der dankenswerterweise nicht zu dem typischen manierierten Journalistenslang verkommen war. Über sein Privatleben wußte sie wenig (Louise hatte einmal gemeint, sie sei überzeugt davon, daß er eine Frau habe), und ihr lag nichts daran, das zu ändern. Sie führte ihr eigenes glückliches, konstruktives und gut organisiertes Leben, das genau ihren Vorstellungen entsprach, und war darum bemüht, es nicht zu zerstören.
      »Wie ich gehört habe«, flüsterte Duffy ihr verführerisch ins Ohr, »gibt es Sandwiches mit Lachsfrikadellen.«
      »Sandwiches mit was?« Rosa wandte gereizt den Kopf ab. Duffy zog sich sofort zurück.
      »Mit gebackenen Bohnen natürlich. Mit was sonst?« Er machte eine Pause. »Du kommst nicht mit, oder, Rosa?«
      »Nein.« Sie war beim letzten Brief angelangt. Ein merkwürdig quadratischer Umschlag. Das Papier raschelte, als sie ihn öffnete, darin lag eine steife, elfenbeinfarbene Karte. Auf der Vorderseite waren die Worte »In Memoriam« eingraviert, und die Kanten waren schwarz umrandet.
      »Duffy -«
      »Hm?« Duffy, der bereits an der Tür stand, wandte sich um. »Hast du deine Meinung geändert?« Er lächelte.
      »Sieh dir das an.« Rosa hielt ihm die Karte entgegen, und er kam zurück und nahm sie an sich.
      »Eine Urlaubskarte? Wenigstens ist das mal etwas anderes als diese strahlenden jungen Damen und die kleinen Männer mit den geknoteten Taschentüchern auf dem Kopf. Wer hat sie dir geschickt?«
      »Ich hab' keine Ahnung!«
      »Steht nichts dabei ? Das Wetter ist hier, ich wünschte, du wärst wunderbar?« Er drehte die Karte um. »Oh.«
      »Was ist denn das?« Er reichte ihr die Karte zurück. Auf der anderen Seite stand: »Erwartungsvoll, Dein F.«
      »Ist einer deiner Bekannten vor kurzem gestorben, Rosa?«
      »Wie bitte?... Nicht, daß ich wüßte ... Was für eine merkwürdige Idee.«
      »Naja, wenn du eine schwarze Krawatte borgen willst, brauchst du mich nur zu fragen.«
      »Aber es ist keine Todesanzeige. Es ist eine von diesen Karten, die man an den Kranz steckt. Und was meint er mit >erwartungsvoll      »Ich würd' mich nicht unnötig aufregen. Es kann doch keiner von deinen Bekannten sein, oder? Sonst hätte sich, wer immer diese Karte auch geschickt haben mag,

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