Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Neid eines Fremden

Der Neid eines Fremden

Titel: Der Neid eines Fremden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Caroline Graham
Vom Netzwerk:
mehrere Arbeitstreffen mit dem Moderator und Toby Winthrop gehabt, der ihren Arbeitsstil und die Art bewunderte, auf die sie ihr Material präsentierte. Sie hatte eine angenehme Stimme und einen freundlichen, doch nicht überheblichen Umgangston, deshalb hatte er sie gebeten, nach der Sendung an einem Hörergespräch teilzunehmen. Sie war so überzeugend gewesen, daß man ihr einen Halbjahresvertrag angeboten hatte, der jetzt bereits zum dritten Mal erneuert worden war.
      Rosa konnte ein gewisses Maß an Eitelkeit nicht abstreiten und war deshalb erfreut und aufgeregt auf den Vorschlag eingegangen, eine eigene Sendung zu moderieren. Zudem hatte sie tatsächlich den Wunsch gehabt, Menschen zu helfen. Doch die ständig wiederkehrenden Themen vieler Anrufer und ihre Unfähigkeit, einmal gemachte Kontakte weiterzuverfolgen (sie wußte nicht, ob sie seit Beginn der Sendung einem einzigen Menschen tatsächlich geholfen hatte), hatten sie allmählich an der Berechtigung ihrer Arbeit zweifeln lassen. Zudem war ihr durchaus bewußt, daß sich in viele ihrer Antworten eine gewisse Unverbindlichkeit - fast Zungenfertigkeit - eingeschlichen hatte und dies kein gutes Zeichen war, so sehr sie sich auch bemühte, es auszumerzen. Falls Toby ihr im nächsten Monat eine Vertragsverlängerung vorschlagen sollte, und das war sehr wahrscheinlich, war sie fast entschlossen, das Angebot abzulehnen. Sie würde ihre Arbeit über Michael Kelly zum Abschluß bringen und sich dann Gedanken über ihr weiteres Berufsleben machen. Sie sah auf die Uhr und stand hastig auf. Nur noch zehn Minuten, und Mrs. Jollit würde mit dem Leiden des Monats zur Tür hereinkommen.
      »Es würd' mir sofort besser gehen, wenn ich Doktor Gilmour um Rat fragen könnte, meine Liebe«, hatte sie zu Rosa gesagt. »Geben Sie's doch an ihn weiter. Ich fürchte, es ist Rückenmarkskrebs.«
      Aber Leo hatte nur abgewunken: »Sag ihr, sie soll darauf achten, daß es ihr nicht in den Kopf steigt.« Er hatte gelacht.
      Rosa hatte in sein Lachen eingestimmt, sich dann aber geschämt. »Und wenn es wirklich etwas Ernstes ist?«
      »Unsinn. Ihr armer Arzt muß das reinste Nervenbündel sein. Sie wird uns alle überleben.«
      In ihrem Büro hatte Rosa, auf wundersame Weise von Sonia befreit, eine halbe Stunde Zeit, sich auf den möglichen Verlauf ihrer Sendung vorzubereiten. Sie notierte sich einige Stichwörter. »Die Rolle der Medien für die Kommunikation. Hat größeres und leichter zugängliches Kommunikationsnetz der Medien weniger Kontakt zwischen Einzelpersonen zur Folge? Warum fällt die Kommunikation in der Gruppe leichter als ein Gespräch unter vier Augen? Oder mit einem Fremden?« Vielleicht wäre es möglich, auf die Themen aktueller Filme und Theaterstücke Bezug zu nehmen ... Sie schrieb: »Mangel an K.« Fragezeichen. Sie überflog ihre Notizen noch einmal und ging dann ins Studio. Die Sendung bot keine Überraschungen. Der Vogelmann meldete sich acht Minuten vor Ende der Sendung zu Wort.
      »Unsere hoffnungslose Unfähigkeit, uns miteinander zu verständigen, Mrs. Gilmour, liegt an unserer mangelnden Aufrichtigkeit. Wir haben zu viele Möglichkeiten, unsere wahren Gefühle zu verbergen, auch wenn wir vorgeblich das Gespräch mit dem anderen suchen. Wir müssen lernen, unsere Methoden zu verfeinern, uns der scheinbar belanglosen Mißverständnisse zu entledigen, bis wir eine Umgangsform gefunden haben, die so klar und unmißverständlich ist wie die der Vögel.«
      »Meinen Sie ihren Gesang?«
      »Ihre Füße! Ihre Füße!«
      »Wie bitte?«
      »Wissen Sie, die Fußspuren der Vögel sind wie Hieroglyphen. Natürlich ist uns der Zugang zu diesem Geheimnis verwehrt. Wenn einer von uns beiden einen Vogel herumhüpfen sieht, was denken wir dann, was sie da tun?«
      »Sie hüpfen herum?«
      »Genau. Aber für einen anderen Vogel bedeutet es etwas völlig anderes.«
      Ich glaube nicht, daß ich das noch lange ertragen kann, dachte Rosa, und sah erleichtert, daß der Zeiger der Studiouhr auf fünf vor zwölf vorrückte. Sie wechselte einen Blick mit Louise, die ihre peruanischen Wollsocken ausgezogen hatte, sie sich über die Hände stülpte und damit über dem Kopf einen wilden Ohrentanz veranstaltete. Irgendwie gelang es Rosa, sich das Lachen nicht anmerken zu lassen.
      »Aber die Menschen benutzen ebenfalls Signale. Ihre Körpersprache.«
      »Menschen sind hinterhältig und betrügerisch, Mrs. Gilmour. Ihre

Weitere Kostenlose Bücher